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Wider das Vergessen! Unter dem Pflaster schweigt die Geschichte: Judenhaus „Daniel-Wormser-Haus“ Westerstraße 27 / Teil I

rot: Daniel-Wormser-Haus, Westerstraße 27

Daniel Wormser setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts für die Verpflegung russischstämmiger Jüdinnen und Juden ein, die auf ihrem Weg nach Übersee in Hamburg auf die Verschiffung warteten. 1884 gründete er den Unterstützungsverein für Obdachlose. Nach seinem Tod richtete der Verein 1909 das Daniel-Wormser-Haus zur Beherbergung und Verpflegung von Durchreisenden ein, später ging das Haus in die Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde über, 1942 musste es den Betrieb einstellen. Weder das Gebäude noch der Straßenzug existieren heute noch. (Siehe: Irmgard Stein, Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hamburg 1984, S. 111f.)“:

https://schluesseldokumente.net/stadtplan/#363

Westerstraße 21. Juli 2008

Westerstraße 1. März 2013

Unter dem Pflaster schweigt die Geschichte 

ehemalige Westerstraße 23. März 2023

Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.” George Santayana:

https://de.wikiquote.org/wiki/George_Santayana

Banalität des Bösen

Hausmeldekartei der Westerstraße 27 von insgesamt 27 Karten / Staatsarchiv Hamburg
Recherche: Holger Artus

https://photos.google.com/share/AF1QipOQvAkXfICE4SflhZ6GhtD1WUw7hWFeDr65UPyLJeXCofqjLeKYftOD4oBpCkP_-Q?key=bHBubHFVdHczanNjUlNGamIxNnBMUjBqM3hjX3FR

Elisabeth Schlachter

Frage: 

Was empfand jene Frau oder jener Mann, die oder der 1942 in die Hausmeldekartei der „Westerstraße 27“ in die Spalte „Verzogen“ von Elisabeth Schlachter kaltherzig akribisch „19.7.42. Theresienstadt“ und 1943 in die Spalte „Vermerke“ mit selbst gezeichnetem Sterbekreuz den „8.1.43“ (einschl. Aktenzeichen) eintrug? 

Es überrascht und schockiert mich (Günter Westphal) immer wieder, wenn ich auf Hinweise stoße, die aufzeigen, dass die unmenschlichen Verbrechen des Nazi-Deutschlands in ihrer minutiösen Grausamkeit des industriell durchgeführten Massenmords an sechs Millionen Jü­din­nen und ­Ju­den: „… nicht nur die Geschichte großer radikal-böser Männer sind, sondern auch die Geschichte unzähliger banal-böser Kollaborateure ist. …”:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/outsourcing-moralischer-verantwortung-die-banalitaet-des- 100.html

22 jüdische Frauen und Männer wurden am  19. Juli 1942 aus dem Judenhaus „Daniel-Wormser-Haus“ Westerstraße 27“ direkt in die NS-Vernichtungslager deportiert. Für jeden einzelnen von ihnen empfinden wir tiefen Scham.

Elisabeth Nelkis 

“… Ab Mai 1941 ist die Isestraße 27 als Adresse in Elisabeth Nelkis Kultussteuerkarteikarte der jüdischen Gemeinde – offiziell des Jüdischen Religionsverbandes – vermerktDie letzte bekannte Station auf Elisabeth Nelkis Odyssee durch Hamburg bildete die Westerstraße 27 im Stadtteil Hammerbrook (ehemals Klostertor) – ebenfalls ein so genanntes Judenhaus. Hier erhielt sie im Juli 1942 den Deportationsbefehl.“:

https://www.facebook.com/kalendererinnern/posts/1928446097254403/?paipv=0&eav=AfZRfAUuNXj48kDLLyj2_VGViVkMgZgJOAZV1INzGadA6q7SlclcvDsg-i1UwmsGwFw&_rdr

https://www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=3073&fbclid=IwAR2j_FkbrrbxKeZRuzkxlnA63Qq0YFgrIXW6n4NDb41ZBOj0cP1Pos4gxa8

1942 wurde das Grundstück Westerstraße 27 durch die Freie und Hansestadt Hamburg der jüdischen Gemeinde: „…unter Nötigung aus rassischen Gründen entzogen…“

und 

„…nach der Übernahme des Grundstücks (1942) wurde das Gebäude der NSDAP zur Unterbringung von Arbeitsmaiden vermietet…“.  

1943/44 wurde das Gebäude durch die Luftangriffe der Alliierten zerstört

Wiedergutmachungsstelle / Freie und Hansestadt Hamburg, 28.8.1950 / Staatsarchiv Hamburg

Wider das Vergessen!

ehemaliger Standort: „Daniel-Wormser-Haus“ Westerstraße 27

Anrainer: Ibis Hamburg, LichtBlick, Mobil Krankenkasse, PFA Pension Denmark, Villa Viva

Teil II folgt. Wir arbeiten dran. Stadtteilinitiative Münzviertel 23.3.24


Der Straßenname Högerdamm ist zwar verschwunden, aber es gibt noch viel zu tun!

Leserbrief im HA zum HA-Artikel „Högerdamm wird umbenannt – nach zwei weiblichen Nazi-Opfern“ v.16.2.24: https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article241692322/Hoegerdamm-wird-umbenannt-nach-zwei-weiblichen-Nazi-Opfern.html

Ein Leserbrief der mich in seiner Arroganz gegenüber den beiden Nazi-Opfern Bella Spanier und Recha Lübke sprachlos macht und doch überrascht mich diese Selbstgefälligkeit wenig, wenn ich zu meinem Erschrecken und meiner Beschämung seit Jahren bzw. Jahrzehnten feststellen muss, dass die deutsche offizielle Erinnerungskultur an die unmenschlichen Verbrechen des Nazi-Deutschlands in ihrer minutiösen geplanten Grausamkeit des industriell durchgeführten Massenmords an sechs Millionen Jü­din­nen und ­Ju­den mit dem jährlich stattfinden Erinnerungstagen wie z.B: am 9. Nov. an die Reichspogromnacht:

https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/reichspogromnacht-reichskristallnacht/

oder am 24 Januar an die Befreiung von Auschwitz

https://www.welt.de/geschichte/article243451765/Holocaust-Gedenktag-Ueberall-in-Auschwitz-lagen-Sterbende.html

längst zu inhaltsleeren öffentlichen Veranstaltungen verkommen sind. Ein jeweils heuchlerisches Ritual ohne Resonanz im bundesrepublikanischen bzw. hanseatischen Alltag*. 

Unser Anlass als Stadtteilinitiative Münzviertel den ehemaligen Högerdamm in Recha-Lübke-Damm und Bella-Spanier-Weg umzubenennen ist unserem Selbstverständnis des „Nie wieder!“ als gemeinwesenorientierte Stadtteilarbeit geschuldet, welches sich in unserem Betreiben des Werkhauses Münzviertel von „innen nach außen“ widerspiegelt**.

Günter Westphal
für die Stadtteilinitiative Münzviertel

* „Einmal Backstein, immer Backstein“ über die Geschichtsvergessenheit des Hamburger Senats“: https://www.muenzviertel.de/einmal-backstein-immer-backstein-ueber-die-geschichtsvergessenheit-des-hamburger-senats/

** Der Högerdamm soll umbenannt werden. Unser Vorschlag: „Bella Spanier – Recha Lübke Straße“: https://www.muenzviertel.de/der-hoegerdamm-soll-umbenannt-werden-unser-vorschlag-bella-spanier-recha-luebke-strasse/

Fritz Höger war ein Nazi: https://www.hamburg.de/clp/dabeigewesene-begriffserklaerungen/clp1/ns-dabeigewesene/onepage.php?BIOID=391&strasse=9315

Einladung zur Gedenkstunde für Frau Recha Lübke und Frau Bella Spanier anlässlich der Umbenennung des Högerdamm’s in Recha-Lübke-Damm und Bella-Spanier-Weg am 20.2.24 um 17:00 im Werkhaus Münzviertel 

Rosenallee 11 9. Nov. 2023

https://www.muenzviertel.de/werkhaus/stolpersteine-rosenallee-11/

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn,
liebe Freundinnen und Freunde des Münzviertel,

anlässlich der Umbenennung des Högerdamm’s in Recha-Lübke-Damm und Bella-Spanier-Weg möchten wir euch gerne zu unserer Gedenkstunde für Frau Lübke und Frau Spanier einladen. Die Gedenkstunde findet am 20. Februar 2024 in Anwesenheit von Herrn Bezirksamtsleiter Neubauer HH-Mitte statt und beginnt um 17:00 im Werkhaus Münzviertel, 20097 Hamburg, Rosenallee 11, 2. Stock.

Die Enthüllung der neuen Straßenschilder durch den Bezirk HH-Mitte findet ebenfalls am Vormittag um 10:00 Uhr im Werkhaus Münzviertel statt.

Recha Lübke und Bella Spanier unterrichteten beide in der ehemaligen Volksschule für Mädchen in der Rosenallee 11. Sie waren jüdischen Glaubens. Bella Spanier wurde 1933 und Recha Lübke 1934 aus dem Schuldienst entlassen. Ermordet wurde Bella Spanier im KZ Chelmno am 10.5.1942 und Recha Lübke im KZ Auschwitz am 9.10.1944.

2002 gründeten wir in der ehemaligen Volksschule im 2. Stock in der Kantine der damaligen Jugendwerkstatt die „Stadtteilinitiative Münzviertel“ (1) und betreiben dort seit 2013 mit unserem Quartiersträgerverein „Kunstlabor naher Gegenden (KuNaGe) e.V.“ in Kooperation mit der „passage gGmbH“ das „Werkhaus Münzviertel“ (2). Eine Tagesaufhaltstätte für obdachlose Jungerwachsene in dessen Mitte die Förderung der jeweils einzelnen Werkhäuslerin oder Werkhäusler als einzigartiges individuelles Subjekt in ihrer oder seiner mitmenschlichen Beziehung zu den anderen steht (3). Es ist unser Widerstand gegenüber der Objektivierung des Einzelnen durch andere.

»Fridays for Future« zu Gast im Werkhaus, 15. Januar 2020

Groß hängt in der Mitte der Stirnseite der Werkhaus-Aula die s/w Reprofotografie des Lehrerkollegiums von 1933 mit Hinweisdaten auf Bella Spanier und Reha Lübke. Beide Lehrerinnen schauen uns an und sind mitten unter uns. Es ist ihr Haus und wir sind ihre Gäste. Sie wachen über unser Tun. Ihre Präsenz gründet unser Selbstverständnis wider das Vergessen der unmenschlichen Barbarei des Holocaust (4). Ein Selbstverständnis aktueller und dringender als je zuvor. 

https://www.werkhaus-muenzviertel.de/onewebmedia/heft_no_7_Ansicht.pdf

Högerdamm 19. Juni 2022 

Wir bedanken uns mit demokratischen Grüßen bei der Bezirksversammlung HH-Mitte, dass sie unseren Vorschlag (5) zur Umbenennung des Högerdamm in Recha-Lübke-Damm und Bella-Spanier-Weg mehrheitlich – gegen die Stimme der AfD-Fraktion zugestimmt hat

(1) https://www.muenzviertel.de/wir-malen-keine-bilder-wir-machen-stadtentwicklung-von-unten-oder-die-kunst-ist-das-erste-stadtteilinitiative-muenzviertel/

(2) https://werkhaus-muenzviertel.de/ber-uns.html

(3) https://www.muenzviertel.de/kunstarbeit-im-sozialen-raum-ungebundene-zeit

(4) https://www.muenzviertel.de/aura/

(5) https://www.muenzviertel.de/der-hoegerdamm-soll-umbenannt-werden-unser-vorschlag-bella-spanier-recha-luebke-strasse/

Aura

“… Heute hängt die Karteikarte groß in der Mitte an der Stirnseite der Aula. Dort hängt sie seit der Eröffnung des Werkhauses. Frau Spanier und Frau Lübke sind mitten unter uns. Sie sind anwesend – eine Nähe und Ferne zugleich, ein Dazwischen im Hier und Jetzt zwischen Frau Spanier und Frau Lübke einerseits und mir als Einzelner. Ein rätselhaftes Ereignis, welches mir widerfährt, dem ich mich nicht entziehen kann, es nötigt mich zur Antwort – Frau Spanier und Frau Lübke schauen uns an: Ihr Vermächtnis: »Nie wieder«. …”: aus:

https://www.werkhaus-muenzviertel.de/onewebmedia/heft_no_7_Ansicht.pdf