„Wird die besetzte Kita bald geräumt? spekuliert das Hamburger Abendblatt am 29.7.16 und zündelt kräftig am gesellschaftspolitischen Konflikt zwischen der Finanzbehörde und der Stadtteilinitiative Münzviertel

FlüchtlingeKurdische Gäste in der Druckwerkstatt koZe 19.7.16

Fast auf den Monat genau vor einem Jahr puschte das Hamburger Abendblatt gemeinsam mit dem Innenexperten der CDU-Fraktion Dennis Gladiator und dem CDU Bürgerschaftsabgeordneten Joachim Lenders (DPoIG) unsere legale Zwischennutzung von Räumen in der ehemaligen KITA der Schule für Hörgeschädigte durch die Erfindung einer zweiten Flora zum politischen Sommertheater hoch. Die Folge: zwei massive Polizeieinsätze im Münzviertel (s. Link: „Sie fürchten unsere Poesie“: https://www.muenzviertel.de/?p=2953 

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Foto: Hamburger Abendblatt / Roland Magunia

„…… Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Münzviertel darf der Senat nicht länger auf dem linken Auge blind sein“, sagt der innenpolitische Sprecher der CDU in der Bürgerschaft, Dennis Gladiator. „Ansonsten nimmt Rot-Grün in Kauf, dass sich dort eine zweite Roten Flora etabliert. Es darf in Hamburg keine rechtsfreien Räume geben. Das gilt gerade für die linksextreme Szene, für die es keinen Platz in unserer Stadt gibt.“

aus: „Polizei warnt: In Hamburg entsteht eine neue Rote Flora“
Hamburger Abendblatt v. 9.6.15 s.: Angst 2. Flora .

Auch dieses Jahr wieder dem Sommerloch geschuldet zündelt das Hamburger Abendblatt im Schlepptau wiederum der Innenexperten der CDU-Fraktion Dennis Gladiator mit der spekulativen Schlagzeile: „Wird besetzte Kita bald geräumt?“  kräftig am gesellschaftspolitischen Konflikt zwischen unserem Selbstverständnis einer emanzipatorischen Stadtteilentwicklung „von unten und quer“ und dem Gottvater „Basta“ Gehabe „von oben nach unten“ der politischen Eliten dieser Stadt durch bewusstes Weglassen, der von mir autorisierten Erläuterung (s.: blau unten im Abendblatt-Artikel ) zum derzeitigen Stand des Räumungsklageverfahrens zwischen der Finanzbehörde und dem Quartiersträgerverein: Kunstlabor naher Gegenden (KuNaGe) e.V.

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Foto: Hamburger Abendblatt / Michael Rauhe

„Wird besetzte Kita bald geräumt?“  Hamburger Abendblatt v. 29.7.16

Amtsgericht will am 16. September verhandeln. Das Kollektive Zentrum KoZe soll Wohnungen weichen.“  v. Ulrich Gassdorf

HAMMERBROOK:  Die Besetzung der Kita auf dem Gelände der ehemaligen Gehörlosenschule am Schultzweg durch das Kollektive Zentrum (KoZe) könnte schon bald ein Ende haben. Nach Abendblatt-Informationen hat der Vorsitzende Richter am Amtsgericht St. Georg für den 16. September einen Termin für die mündliche Verhandlung anberaumt.

Ein Gerichtssprecher bestätigte auf Anfrage: „Auf die Klage der Stadt reagierte der Verein Kunstlabor naher Gegenden (KuNaGe) mit einer Klageerwiderung, und daraufhin hat das Gericht der Stadt eine Erwiderungsfrist bis Ende dieser Woche eingeräumt, von der die Stadt inzwischen Gebrauch gemacht hat.“

Was ist bislang passiert? Der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) der Finanzbehörde hatte dem Verein KuNaGe zum 1. April dieses Jahres gekündigt und nachdem die Fläche nicht geräumt wurde, am 29. April eine Räumungsklage gegen den Verein beim Amtsgericht St. Georg eingereicht.

Das KuNaGe ist der Mieter einer 70 Quadratmeter großen Teilfläche und hat diese den KoZe-Aktivisten zur Verfügung gestellt , die aber bereits seit 2015 das gesamte zweigeschossige Gebäude für sich (geduldet von der Stadt) (1)  beanspruchen. Es kam dort mehrmals zu Polizeieinsätzen.

Aber wenn es nach der Stadt geht, ist mit der Besetzung der Immobilie bald Schluss: „Der Abriss des Kita-Gebäudes muss Anfang Dezember beginnen, damit der Investor im Frühjahr 2017 mit seinem Bauvorhaben starten kann. Das heißt, spätestens Ende November muss der Verein KuNaGe die Fläche verlassen“, sagte Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde.

Wie berichtet, ist die ehemalige Schule bereits bis auf den denkmal­geschützten Teil und die Kita abgerissen worden. Die Projektentwickler HBK (Hanseatische Baukonzept) und GBI wollen bis 2018 rund 400 Wohnungen auf dem Grundstück bauen, davon sollen rund 60 Prozent öffentlich gefördert sein. Diese sind für Zielgruppen wie Senioren, Mutter-und-Kind-Wohnen sowie Familien gedacht (s. Link: „Partizipatorische Bürgerbeteiligung: Voll daneben!“ (2)

Der Architektenwettbewerb wurde bereits entschieden. Den Zuschlag erhielt das Hamburger Büro Spengler Wiescholek Architekten.

Eine Eskalation der Situation zwischen der Stadt und den linken Aktivisten ist wahrscheinlich: „Wir haben dem LIG im Mai schriftlich angeboten, dass wir Ende März 2017 die Räume in der Kita räumen und dazu auch eine entsprechende Unterwerfungserklärung abgeben. Denn noch bis Ende März stehen nebenan die Container für das kommende Winternotprogramm 2016/17, und deshalb wird es nach unserer Information auch keine Abrissarbeiten geben“. Deshalb sei man auch nicht bereit gewesen, für unsere nachbarschaftliche Flüchlingsarbeit in unmittelbarer Nachbarschaft zur Erstaufnahme für männliche Flüchtlinge in der Münzstr. 6 einem Auszug bereits für Ende November zuzustimmen. An diesem Sachverhalt habe sich auch nichts geändert, so habe man das auch in der Erwiderung auf die Räumungsklage der Stadt, erklärt, so Westphal weiter. (3)  Stattdessen inhaltsleer: Das Angebot der Stadt, die Fläche bis Ende November nutzen zu können, reichte dem KuNaGe nicht.

Behördensprecher Stricker wird deutlich: „Wir lassen nicht mit uns feilschen. Der 30. November war unser letztes Angebot. Jetzt werden wir den Auszug gerichtlich durchsetzen, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Verantwortung dafür tragen KuNaGe und Herr Westphal ganz persönlich.“

Auch die Opposition im Rathaus sieht Handlungsbedarf: „Im November wird sich zeigen, ob der Senat die Zügel noch in der Hand hält. Die linke Szene, die das Gebäude unter den Augen des Senats besetzt hat, hat oft genug mit Ausschreitungen und Krawallen im Fall einer bevorstehenden Räumung des Areals gedroht“, sagte CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. Der Senat, der polizeiliche Warnungen ein ums andere Mal in den Wind geschlagen habe, müsse dafür sorgen, dass die von ihm tolerierte Hausbesetzung zum vereinbarten Zeitpunkt beendet werde, und den Weg freimachen für den Bau der dringend benötigten Wohnungen.“

http://www.abendblatt.de/hamburg/article207962297/Stadt-hat-Klage-eingereicht-Wird-das-KoZe-geraeumt.html

Günter Westphal 31.7.16

(1) “ … In Gesprächen fassten Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) und Innensenator Michael Neumann eine politische Linie. „Die Besetzer werden ein bisschen gegängelt und ansonsten geduldet. Vielleicht löst sich das Problem von selbst“, heißt es aus dem Senatsumfeld.“

aus: „Zeit für die Kita-Besetzer im Münzviertel läuft ab“
Hamburger Abendblatt v. 22.10.15

http://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article206317571/Zeit-fuer-die-Kita-Besetzer-im-Muenzviertel-laeuft-ab.html

(2) „Schlüsselprojekt: Partizipatorische Bürgerbeteiligung: Voll daneben! Neubebauung Grundstück ehemalige Schule für Hörgeschädigte Schultzweg 9 „Fördergebiet Münzviertel“ (RISE)“: https://www.muenzviertel.de/?p=3030)

(3)) meine Erwiderung an Ulrich GaßdorfErwiderung HA v. 29.7.16

siehe weiter: „David und die Finanzbehörde“ https://www.muenzviertel.de/?p=3135

15 x Straßenfest Münzviertel 16.7.2016

IMG_0353 15. IIIMG_0194 `15. IIIIMG_0243 IV 15.IMG_0247 V 15.Werkhaus Münzviertel: Pflanzenproduktion http://www.werkhaus-muenzviertel.deIMG_0207 VI 15.IMG_0299 VII ´15.Werkhaus Münzviertel: Parade der Verwandlung IMG_0303 VIIIIMG_0308 IXIMG_0348 XIIalsterdorf Assistenz ist: http://www.alsterdorf-assistenz-ost.de/home/ IMG_0334 X '15. IIKooperation:
Werkhaus Münzviertel: http://www.werkhaus-muenzviertel.de
Münzgarten: https://muenzgarten.wordpress.com
https://www.facebook.com/muenzgarten/IMG_0347 ´XIIMG_0370 XIII 15.IMG_0362 XIV 15.BASSACKER: move:  IMG_0364IMG_0378 XV 15.koZe: http://koze.inIMG_0403 XVIIMG_0407 XVIIlada: move: IMG_0389 / http://niedervolthoudini-promotion.com/lada
s. weiter: „Für eine Quartiersentwicklung von unten“: https://www.muenzviertel.de/?p=3214

15. Münzviertel Straßenfest am 16.7.16 von 14h bis 23h „Für eine Quartiersentwicklung von unten“

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Münzviertel Straßenfest am 16.7.16 von 14h bis 23h
„Für eine Quartiersentwicklung von unten“

Das Münzviertel feiert

Am Samstag, den 16. Juli, feiert das Münzviertel sein 15. selbst-organisiertes Straßenfest.

Hinter der Kulisse des Hauptbahnhofs, eingebettet zwischen Bahnschienen, ist das Münzviertel versteckt gelegen und zugleich ungeheuer zentral. Hamburgs „schönste Verkehrsinsel“ lädt auf dem Straßenfest zur Erkundung ein. Mit seinen Bewohnern, mit den hier ansässigen sozialen Einrichtungen, Galerien und Projekten, bildet das Münzviertel ein einzigartiges urbanes Konglomerat von Kunst, Bildung, Pädagogik und Kultur.

Experimentell, offen, inklusiv und kritisch

Das Selbstverständnis des Münzviertels spiegelt sich im Straßenfest wieder. (s.: https://www.muenzviertel.de/?p=2953 )

Abseits der eingeschlagenen Pfade liegt das Münzviertel – und so beschreitet auch sein Straßenfest-Programm ganz eigene Wege. Auf der Bühne und auf der Straße geht es international, subkulturell und unkommerziell zu. Die „schrägen Klänge“, wie es die taz-Hamburg betitelte, gibt es auch wieder 2016: am Samstag, den 16. Juli.

Das Münzviertel ist einmalig sozial

Das kleine Quartier um die Münzburg ist das Viertel mit der höchste Dichte an sozialen Einrichtungen in Deutschland. Auf 1200 Bewohner kommen 14 Einrichtungen, die sich z.B. um Obdachlose, Flüchtlinge oder Menschen mit Behinderung kümmern. Hierzu zählen u.a. das Café Exil, das Herz As und die alsterdorfer assistenz ost.

Das Werkhaus Münzviertel ist ein Modellprojekt zur Verschränkung von Pädagogik, Kunst und Quartiersarbeit. Es wendet sich an junge Menschen in unterschiedlichen Notsituationen. Der offene, ambitionierte Ansatz zielt darauf, ihnen Raum zur Veränderung ihrer prekären Lage zu eröffnen.: http://www.werkhaus-muenzviertel.de

Für eine Quartiersentwicklung von unten

Dass eine Stadt sich in konstantem Wandel befindet, ist gerade den Bewohnern des Münzviertels bewusst. Stete Veränderung stellt in diesem Quartier keinen Ausnahmezustand dar, sondern die Regel.

Zugleich möchte das Straßenfest mit seinem diesjährigen Motto „Für eine Quartiersentwicklung von untenauf aktuelle Entwicklungen im Viertel hinweisen.

Letztes Jahr wurde über die Köpfe der Viertelbewohner hinweg das stadteigene Grundstück der ehemaligen Schule für Hörgeschädigte an den Investor HBK verkauft. Dessen Pläne für den Neubau sind unsozial und architektonisch enttäuschend. Ein kleiner Lichtblick ist aber die Nutzung von Räumen (800 qm Brutto-Geschossflache) im alten Schulgebäude für ein geplantes sozio-kulturelles Zentrum. Hierfür engagiert sich das Viertel.

Werkhaus Münzviertel

Auch 2016 wird es wieder einen unverwechselbaren Mix zwischen städtischer Realität und künstlerischer Auslebung geben, der versucht, Kunst alternativ in der Gesellschaft zu verankern.

KUNST WORKSHOP Olivier Nourisson

Wann? 16. Juli 2016 Was? 15. Münzviertel Straßenfest
Flohmarkt, Infostände, International Food & Drinks, Kinder-Schminken im Münzgarten

Bühne ab 16.00 u.a. mit:

A POPPLE PEOPLE (Coconuts, Tap shoes & Metal)
LEGOLUFT  (Digital Homekeyboard dubs)
BASSAKKER (industrial dub kraut metal)
LADA (Krautrock)
DJs: David Garagè & DJ StarsSindAmArsch

Wo? Repsoldstr. – Rosenallee – Münzplatz / U-Bahnhöfe Hauptbahnhof oder Steinstraße

Zum Musikprogramm:

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(Coconuts, Tap shoes & Metal)

Ist es ein kaputte Waschmachine oder funktioniert noch? Werden die Blumentöpfe es aushalten? Mal sehen.

Legoluft Live

LEGOLUFT  (Digital Homekeyboard dubs)

Der Hamburger Musiker & Produzent LEGOLUFT experimentiert seit 2003 mit Circuit Bending und DIY-Techniken, die in verschiedenen Projekten wie dem experimental Elektronik-Duo MONOMAL & MUTTERMAHL und dem KrachkistenOrchester von Tintin Patrone maßgeblich angewendet werden.

In seinem aktuellen Solo-Projekt LEGOLUFT verschmelzen Soundmanipulationen und einfache Homekeyboardsounds zu einem synthetischen Dub mit 8bit chiptune Feeling. Massive und melodiöse Oldschool Riddims treffen auf futuritisch kindliche Sequenzer-Arrangements, die live in klassischer Dubmaster-Manier kombiniert, verfremdet und spontan verändert werden.

Die in Eigenregie produzierte und veröffentliche Debut 7″ Vinyl „Computer dub“ ist seit Juli 2015 erhältlich.

https://legoluft.bandcamp.com/
WWW.LEGOLUFT.DE

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BASSAKKER  (industrial dub kraut metal)

BASSAKKER ist eine Soloband,vom Bassisten Ulf Bustorf 2007 gegründet,der seitdem seine vier Saiten und mittlerweile auch Bassdrum und HiHat im Sinne breitgefecherter Rockmusik bearbeitet. Bassakkers musikalische Einflüsse sind sehr weitreichent.
Von klassischem Rock bis Metall und Punk,von Dub über Jazz bis Industrial und Funk, um nur einige zu nennen.

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LADA (Krautrock)

Die unbeschreibliche Diva des Post-Synth-Krauts lässt euch erschrecken vor tausend Fingern, die euch die Knöpfe verdrehen und die Ohren mit einem leichten Watte-Bausch betupfen. No Q-tips but beat-trips.

LADA sind Thomas von Volt am Schlagzeug. Carl-John Hoffmann am Russen und Guitar und Fee R. Kuerten an Synths und Vocs.

http://niedervolthoudini-promotion.com/lada

David Garagè & DJ StarsSindAmArsch (Club27, GrimeGrimeGrime / HH)

Spielen werden wir beim Straßenfest Hip Hop, Soul / Funk und Freaky-Bass-Musik. Können uns natürlich auch noch etwas absprechen falls du noch spezielle Ideen hast.

Wir treiben seit mehr als 13 Jahren mit dem Hip Hop – Kollektiv „Club27“, auf den Brettern die die Unterwelt bedeuten, unser Unwesen. Die monatliche Freestyle-Session in der „Komet – Musikbar“ auf’m Kiez sind mittlerweile eine feste Institution. Hier finden bei Gastauftritten seit jeher „Alte-Schule“-Absoventen und Nachwuchs-Sprechakrobaten ihren Raum und den richtigen Vibe um sich frei von gängigen Klischees am Mikrofen auszutoben.

Bereits im Jahre 2006 entstand der erste Club27-Sampler „Clubshit Vol.1“ mit diversen Künstlern aus dem eigenen weitreichendem Umfeld. Bis heute hat „Der Club“ seine ironische bis tiefabgründige Seele bewahrt und versorgt damit sein meist facettenreiches Publikum. Wir beide sind zusätzlich in eigenen Projekten produktiv, welche bisweilen etwas elektronischer, stark von englischen musikströmungen inspiriert sind. Seit einigen Jahren widmen wir uns allerdings vermehrt dem Auflegen. Vornehmlich auf Vinyl kommt von Hip Hop über Dub bis UK-Garage viel Buntes auf die Plattenteller welches sich nicht immer in vorgefertigte Schubladen einordnen lässt. Wir freuen uns riesig beim Münzvieltel-Straßenfest mit am Start zu sein und das Ganze unterstützen zu dürfen!

https://www.facebook.com/Club27freestyle
https://soundcloud.com/tohuwabohu

Heimatkunde Münzviertel / Ein poetischer Aufriss / Galerie Renate Kammer 14.7.16

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Heimatkunde Münzviertel

Die Geschichte muss sichtbar sein, um nutzbar zu werden

War der Patriot und Lyriker
Barthold Hinrich Brockes 1724 ungezogen?
Und was hat das mit dem Münzviertel zu tun?

Ein poetischer Aufriss

Seit 14 Jahren bewege ich mich künstlerisch forschend im Münzviertel. Meine erste Frage war: Warum heißt das kleine Straßenstück mitten im Herzen das Viertels „Rosenallee“? Dabei stieß ich schnell auf den Barockgarten von Barthold Hinrich Brockes (1680-1747) der sich oben vom Geesthang am Besenbinderhof bis hinunter an den Rand des Hammerbrooks (heutiger Münzplatz) erstreckte und stieß dann weiter auf die Patriotische Gesellschaft v.1724 bzw. der Redaktionsgemeinschaft „Der Patriot“ deren Mitglied Barthold Hinrich Brockes war. (s: „Geschichte Münzviertel„)

Die Mitglieder der Redaktionsgemeinschaft waren geprägt von den geistigen und moralischen Umbrüchen der Frühaufklärung (1680 bis 1730). Es war die Zeit des Übergangs von der alten noch dem Mittelalter verhafteten metaphysischen Welterfahrung hin zum neuen rational-naturwissenschaftlichen Weltbild. „Der Patriot“ erschien 1724 – 1726 als anonyme wöchentliche Zeitschrift, die sich öffentlich querstellte zu der damaligen Hamburgischen Staatskirche, welche sich als die wahre Verfechterin der „reinen Lehre“ der lutherischen Orthodoxie verstand und realpolitisch als Wächter über die Moral und Ordnung der Stadt agierte.

Im Gegensatz zu dem lutherischen Dogma einer hierarchischen Ordnung von „oben nach unten“ an deren Spitze der alttestamentarische zornige Gott stand, wollten die Patrioten mit ihrer „Moralischen Wochenschrift“ ihren „Mitbürgern Hilfestellungen leisten bei einer selbstverantwortlichen Lebensführung, bei der Entwicklung geistiger und moralischer Fähigkeiten, bei der Bildung einer eigenen Meinung unabhängig von traditionell institutionalisierten Autoritäten, um jeden zu befähigen, auch wiederum Verantwortung für andere und für das Gemeinwesen zu übernehmen“ (aus: „Hamburg zu Lust und Nutz, Bürgerliches Musikverständnis zwischen Barock und Aufklärung  (1660-1760) Hamburg 1997)

Der Patriot I

„Ich bin ein Mensch, der zwar in Ober=Sachsen gebohren, und in Hamburg erzogen worden, der aber die ganze Welt als sein Vaterland, ja als eine einzige Stadt, und sich selber als ein Verwandter oder Mit=Bürger aller anderen Menschen ansiehet. Es hindert mich weder Stand, noch Geschlecht, noch Alter, dass ich nicht jedermann für meinesgleichen, und, ohne den geringsten Unterschied, für meinen Freund halte“ (aus: „Der Patriot“, 1. Stück, 5 Januar 1724)

Gegen einen solchen emanzipatorischen Anspruch, der die praktische Vernunft als moralische Autorität dem christlichen Glauben an die Seite stellt, lief die Hamburgische Staatskirche Sturm und brandmarkte die Autoren des „Patrioten“ als Nestbeschmutzer und Verbreiter von ketzerischen Ideen. Neudeutsch gesprochen: die Patrioten waren ungezogen.

300 Jahre später brandmarkt der Pressesprecher der Hamburgischen Finanzbehörde die gemeinwesenorientierten Stadtteilaktivitäten der Stadtteilinitiative Münzviertel rund um das ehemalige Schulgelände im Dreieck: Schultzweg, Norderstraße und Münzstraße als: „einfach schlecht erzogen“ (aus: „Krawall am Zaun“ taz. 1./2.8.2015: http://www.taz.de/!5216511/ ). Im Mittelpunkt dieser Aktivitäten steht unter dem Motto

Stadtplaung von unten

die Neubebauung des ehemaligen Schulgeländes (s. „David und die Finanzbehörde“ https://www.muenzviertel.de/?p=3135.

Zwar gibt es nach 300 Jahren keinen zornigen Gott mehr, doch an Stelle des damaligen lutherischen Dogmas wird nun von den politischen Eliten der Stadt das neoliberale Dogma einer reinen profitorientierten Wirtschaftsordnung hofiert zum Nutzen einiger weniger (s. „Polizeieinsatz“ https://www.muenzviertel.de/?p=2953 ) und auf der Strecke bleibt weiterhin das Postulat der Patrioten: „Es hindert mich weder Stand, noch Geschlecht, noch Alter, dass ich nicht jedermann für meinesgleichen, und, ohne den geringsten Unterschied, für meinen Freund halte“ Wir bleiben ungezogen

Günter Westphal 3.6.16 

s.weiter: Warum diese Heuchelei? https://www.muenzviertel.de/?p=3144