Der Himmel, die Kunst, das Unfertige und das Nachhaltige
1460 Tage Werkhaus Münzviertel: 1095 Tage Modellprojekt, 365 Tage Verstetigung. Ob als Versuch oder im Bestand – das Werkhaus bleibt unfertig, selbstkritisch und experimentell. Und doch: Das Werkhaus Münzviertel ist und bleibt im Kontext sozial-emanzipatorischer Gestaltung geerdet in seiner Verschränkung von Pädagogik, Kunst und Quartiersarbeit.
Die künstlerische Raumproduktion Werkhaus Münzviertel* ist uns Stadtteilaktivistinnen und Aktivisten des Münzviertels nicht urplötzlich aus heiterem blauen Himmel herab auf die Füße gefallen. Sondern ist unser bildhaft gewordene Einspruch wider die eiskalten Skeletthände rationaler Ordnung und totaler Verdinglichung von Mensch und Welt. Es ist unser 15 Jahre fortwährendes Aufbegehren gegen eine von »oben nach unten« diktierte Stadtteilentwicklung, die sich wenig schert um das gemeinwohlorientierte Alltagwissen der vor Ort Lebenden und stattdessen im Sinne einer »unternehmerischen Stadt« neoliberale Glaubenssätze mit deren marktkonformen Konzepten hofiert und bestärkt.
Im Mittelpunkt der Arbeit vom Werkhaus Münzviertel steht die Beförderung der jeweiligen Werkhäuslerin oder des jeweiligen Werkhäuslers in ihrer oder seiner originären Einzigartigkeit im Rahmen eines demokratisch-partizipativen Gemeinwesens. Leitkriterium unseres Gestaltens und Reflektierens von sozialen Verknüpfungen sind die subjektiven Behauptungen der Kunst. Diese sind affirmativ, intuitiv und selbstreflexiv. Wir benötigen die Kunst mit ihrem schöpferischen Tun und ästhetischem Denken als Schutzpatronin der Subjektivität, denn in dem Geheimnis der Subjektivität des Menschen gründet sich die Sozialität des Menschen.
„Münzgarten“ 15. Straßenfest Münzviertel 16. Juli 2016 s. Link:
https://www.muenzviertel.de/?p=3292
Frei nach dem Motto »Am Tag Werkhaus für die Werkhäusler*innen und am Abend Treffpunkt für die Quartierbewohner*innen« sind die Räume des Werkhauses zur Identität stiftenden Herzkammer der gemeinwesenorientierten Aktivitäten der Stadtteilinitiative geworden. Gemeinsame Schnittstellen zwischen den Werkhäusler*innen und den Quartierbewohner*innen sind neben dem gemeinsam bewirtschafteten »Münzgarten« im Hinterhof des Werkhauses die Fahrradselbsthilfe »Radküche Münze« sowie die jährlichen Straßenfeste und abendliche Musikveranstaltungen in der Aula des Werkhauses.
Wurde das Werkhaus während der Modellphase von 2013 bis 2016 aus RISE-Mitteln finanziert, so wird dieses im Zuge der Verstetigung seit November 2016 bis Dezember 2018 durch die »Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Mitte« finanziert. Ab Januar 2019 steht die Weiterfinanzierung des Werkhauses wiederum auf dem Prüfstand und es droht die Gefahr, dass sich der Druck der Verallgemeinerung durch technokratische Kriterien sozialer Förderungsmaßnahmen zulasten des subjektiv ausgerichteten Kunstcharakters vom Werkhaus Münzviertel weiter verstärkt.
Gegen eine solche Verallgemeinerung zielt das Einrichten des »Münzviertel Archiv« im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum, Kulturbehörde Freie und Hansestadt Hamburg. Denn das Archivieren von Doku-Materialen über 15 Jahre Stadtteilarbeit (Entwürfe, Protokolle, Aufsätze, Presseartikel, Plakate, Fotos, Historie u.a.) unterbricht in seiner räumlichen Verortung den Zeitenfluß von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und ermöglicht in der eingefrorenen Zeit ohne das Tick-Tack der Sekunden das kritische Reflektieren des Gewesenen und eröffnet für das quartierbezogene Werkhaus Münzviertel den dynamischen Blick ins Zukünftige s. Link: https://www.muenzviertel.de/?p=5069
Günter Westphal
* www.werkhaus-muenzviertel.de/
s. weiter: Bilderbogen: Probe # 4 „36 Monate WERKHAUS MÜNZVIERTEL“ / „Über das Künstlerische im Werkhaus Münzviertel“ 24.11.2016 https://www.muenzviertel.de/?p=3854