Frau Bella Spanier und Frau Recha Lübke unterrichteten beide als Lehrerinnen an der ehemaligen Volksschule für Mädchen in der Rosenallee 11. Frau Spanier von 1906 bis 1933 und Frau Lübke von 1901 bis 1934. Beide Lehrerinnen waren jüdischen Glaubens. Die Daten habe ich dem Buch: „Rosenallee 11 1883-1935, Bilder aus dem Leben einer Hamburger Mädchen-Volksschule” entnommen. Gefunden habe ich dieses kleine schmale Buch als Fotokopie im Stadtteilarchiv Hamm. Dort befand ich mich auf der Suche nach historischen Bildern und Hinweisen über das Münzviertel.
Als erstes Foto im Archivkasten „Rosenallee” fiel mir die Aufnahme des Lehrerkollegiums der Rosenallee-Schule aus dem Jahre 1933 in die Hände. Eine Reprofotografie nur postkarten-groß. Es war meine erste Begegnung mit Frau Spanier und Frau Lübke und es war auch zugleich mein erster Einblick in die Geschichte der Rosenallee. Das Buch „Rosenallee 11” wurde zum 50-jährigen Jubiläum der Schule herausgegeben. Ein wunderbares Buch und zugleich ein schreckliches Buch. Für das Münzviertel historisch gesehen eine Fundgrube, doch als Zeitzeugnis ein unheilvolles Buch. Das Buch ist ein nationalsozialistisches Machwerk. Veröffentlicht 1935.
1935 umreißt Hermann Kühl der Autor der Jubiläumsschrift den Schulbezirk der Rosenallee-Schule in den Grenzen des westlichen Hammerbrooks. Im Westen der Deichtormarkt, im Osten die Brandshofer Schleuse, im Süden die Bankstraße und im Norden der Hauptbahnhof. 1943 wird das damalige westliche Hammerbrook in dem Bombenhagel des 2. Weltkrieges restlos zerstört. Übrig bleibt nur das heutige Münzviertel. Nach dem Krieg entscheiden sich die Lenker der Stadt gegen die Historie des westlichen Hammerbrooks und gebären das geschichtslose Klostertor (seit dem 01.03.2008 wieder Hammerbrook).
Doch die Geschichte ist unerbittlich. Sie lässt sich weder verleugnen noch verbiegen. Die älteste Straße im Münzviertel ist die Rosenallee (ca. 1720), und das Schulgebäude Rosenallee (1833) ist neben der Münzburg (1880-1886) das älteste Gebäude im Quartier. Die heutige Jugendwerkstatt als Nachfolgerin der ehemaligen Volksschule in der Rosenallee und im Besitz der öffentlichen Hand ist der historische Mittelpunkt des Münzquartiers. Sie ist ein authentisches Zeugnis einer über 125 Jahre alten Quartiersgeschichte. Und diese gilt es zu wahren und zu behüten, Denn ohne das Wissen um die eigene Geschichte gibt es keine Zukunft. Sie stiftet Identität und vermeidet den Fall ins Bodenlose.
Am 25.10.1941 wurde die damals 57-jährige Frau Spanier nach Lodz und dann später am 10.05.1942 nach Chelmno deportiert. Und die damals 62 jährige Frau Lübke wurde 09.07.1942 nach Theresienstadt und am 09.10.1944 nach Auschwitz deportiert. Weitere Lebensdaten der beiden Frauen sind nicht bekannt.
Die beiden Stolpersteine vor dem Schulgebäude Rosenallee 11 erinnern an das Schicksal der beiden Frauen (zur vergrößerten Ansicht bitte auf das Foto klicken)
Günter Westphal für die Stadtteilinitiative Münzviertel
September 2008
Mein besonderer Dank gilt der ehemaligen Schülerin der Volksschule Rosenallee Frau Heringlake für ihre großzügige Schenkung der Originalausgabe „Rosenallee 11” sowie Frau Thevs für ihre weiteren unermüdlichen Recherchen über die Biografien von Frau Bella Spanier und Frau Recha Lübke.