Ausgestattet mit den Ergebnissen unserer Nachbarschaftsbefragung „von Tür zu Tür“ im Oktober 2020: https://www.muenzviertel.de/stadtteilentwicklung-von-unten-das-muenzviertel-plant-selber/ erarbeiteten wir während unseres 73. Quartierstreffen (seit 2002) am 14.Juni 2021 folgende Eckwerte an die Adresse des derzeitigen Senats der Freien und Hansestadt Hamburg:
1.: Vergabe des Grundstücks nach einer Konzeptausschreibung. Insbesondere keine Vergabe als Wirtschaftsförderungsgrundstück.
2.: Das Grundstück soll in Erbpacht an Genossenschaften oder ähnliche Körperschaften vergeben werden.
3.: Das Grundstück soll überall dort, wo das Wohnen allgemein zulässig ist, ausschließlich zum Wohnen genutzt werden (Ausnahme: Erdgeschosse).
4.: Es sind ausschließlich geförderte Wohnungen (insbesondere des 1. Förderweges) mit langen Mietpreisbindungen, Wohnprojekte und Wohnungen für Menschen mit erschwertem Zugang zum Wohnungsmarkt (insbesondere Housing First) vorzusehen.
5.: Erdgeschosse der Straßenzüge Schultzweg und Norderstraße sowie der gesamte Gebäuderiegel an der Spaldingstraße sollen einer kleinteiligen gewerblichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
Die 5 Forderungen gründet sich in unserem Selbstverständnis einer progressiven sozialen Stadtentwicklung in dessen Mitte der jeweils einzelne Mensch in seiner nachbarschaftlichen Vernetzung zu den anderen steht, wie wir diese bereits 2016 in unserem alternativen Entwurf zur Neubebauung des ehemaligen Schulgrundstück für Hörgeschädigte am Schultzweg entwickelt haben:„Wir können es besser! Unser Entwurf: Neubebauung ehemaliges Grundstück Schule für Hörgeschädigte Schultzweg 9“ : https://www.muenzviertel.de/wir-koennen-es-besser-unser-entwurf-neubebauung-ehemaliges-grundstueck-schule-fuer-hoergeschaedigte-schultzweg-9/
Am 6. Juli 21 wurde uns ohne Vorankündigung aus der Sozialbehörde mitgeteilt, dass die Behörde das Werkhaus (1) ab 2023 nicht mehr finanzieren wird. Begründung: Mit unserem niedrigschwelligen Angebot für wohnungslose Jungerwachsen zwischen 18 und 27 Jahren passen wir in kein Förderungsprogramm. Ob dieser Finanzierungstop politisch innerhalb der Sozialbehörde abgesichert worden ist, ist noch offen.
Pressekonferenz „Villa Viva“ im Münzviertel Schultzweg 4 12.Juli 2021
Eine Woche später am 12. Juli 21 begrüßt der Finanzsenator Andreas Dressel das Bauvorhaben „Villa Viva“ von Viva con Agua am Schultzweg im Münzviertel (2):
„Es brauchte eine größere, übergeordnete Idee, die die Erschwernisse, die das Grundstück mit sich bringt, überragt“, sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Die habe Viva con Agua mitgebracht. „Wir sind sehr happy über diese tolle Partnerschaft. Auch weil wir wissen, dass es hier nicht nur ein Gästehaus braucht, sondern einen Akteur, der die ganze Nachbarschaft, das Quartier Münzviertel, mit im Blick hat. Denn das braucht es hier“, so Andreas Dressel weiter. Nicht umsonst trotze die Nachbarschaft ihrem nicht gerade schmeichelhaften Ruf als „Hinterhof des Hauptbahnhofes“ (3).
Polemisch könnten wir mit Franz Josef DegenhartErmahnung: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ (4) schreiben: „Raus die Schmuddelkinder, rein die bessren Leut,“. Doch lassen wir die Polemik, Polemik sein. Vor 2 Wochen wusste der Finanzsenator noch nichts vom Finanzierungstop. Seit 2 Wochen ist ihm dieser bekannt. Wir sind gespannt.
Zwei Jahre haben wir geschwiegen. Geschwiegen über das bevorstehende Bauvorhaben von Viva con Agua, ihre Geschäftsstelle einschl. Zimmer zum Übernachten für ihre zahlreichen Gäste aus aller Welt von St.Pauli ins Münzviertel zu verlegen. Als Argument für das Schweigen führte Viva con Agua die Vermeidung eines zu früh geführten öffentlichen Diskurs auf St.Pauli und anderswo über ihren Umzug an. Viva con Agua wollte die Eröffnung des Diskurs über ihren Umzug selbst bestimmen.
Münzgarten: Viva con Agua 18. Sept. 2020
Wir haben uns darangehalten, zumal Viva con Agua ankündigte, die erste öffentliche Präsentation ihres Bauvorhabens im Rahmen einer Pressekonferenz im Werkhaus Münzviertel: www.werkhaus-muenzviertel.de/ abzuhalten. Eine solche Geste der Demut gegenüber unsere über fast 2 Jahrzehnte hinweg gemeinwohlorientierten Stadtteilaktivitäten, die getragen werden von Empathie, Solidarität und Toleranz mit und gegenüber den anderen, bestärkte bei uns den Eindruck, dass das Viva con Agua Selbstverständnis mit dem unseren übereinstimmt. Ein nachbarschaftliches Miteinander auf gleicher Augenhöhe untereinander.
Zitiert aus Viva con Agua „Vision und Werte“:
„Zusammenarbeit ist für uns ein Erfolgsmodell, denn damit schaffen wir eine nachhaltige, stabile Grundlage für gesellschaftlichen Wandel. Für uns sind Verbindung und Vernetzung wertvoll. Wir sind davon überzeugt, dass aus Kooperationen Win-Win Situationen entstehen und Netzwerke zu Synergien führen. Wir sind eine familiäre Community, sinnstiftende Gemeinschaft und Plattform für soziales Engagement auf der jeder Beitrag zählt. Wir fühlen uns in der Viva con Agua Community aufgehoben, verbunden und geborgen. Jede*r kann mitmachen“
Es kam anders. Corona bedingt. Die Pressekonferenz fand dann in einem Zirkuszelt unter dem Motto: „Zirkus der Zukunft. Villa Viva – ein Haus, das Brunnen baut“ auf dem Baugrundstück statt. Zugegeben auch ohne die Corona-Beschränkungen wäre es im Werkhaus für die ca. 100 bis 150 Gäste zu eng geworden. Um das zu ermöglichen, hätte es ein anderes Herangehen seitens Viva con Agua geben müssen wie z.B.: Presse (Werkhaus) und getrennte Abendveranstaltung (Schultzweg). Sehr schade.
Hamburger Abendblatt 13. Juli 2021
Doch lassen wir dieses vorerst einmal so stehen, gemeinsam mit der Feststellung, dass aus den vormals angekündigten Zimmer zum Übernachten aktuell ein Hotelbetrieb mit dem wohlklingenden Namen „Gasthaus“ (1) geworden ist. Die Nagelprobe eines neuen, nachbarschaftlichen Miteinanders steht uns ganz aktuell bevor, wenn es um die Neubebauung des letzten städtischen Grundstück (ehemaliges Hillgruber Grundstück) im Viertel, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Viva con Agua Grundstück geht.
Hillgruber Hochhaus Spaldingstr. 2a 15. Mai 2015
Seit 2014 die Entscheidung fiel, statt wie vorgesehen dort nicht das neue Bezirksamt HH-Mitte zu bauen, forderten wir im Rahmen des „Fördergebiet Münzviertel (RISE)“ die Stadtpolitik auf, mit uns gemeinsam eine sozial ausgerichtete Neubebauung des Grundstücks partizipatorisch auf den Weg zu bringen (2).
Sitzungssaal Bezirksversammlung HH-Mitte 30. Juli 2020
Nach jahrelangen vergeblichen Nachfragen erfuhren wir letztes Jahr (3), dass der Senat das Grundstück kurzerhand, hinter unserem Rücken zum übergeordneten Wirtschaftsförderungsfall erklärte und uns somit jegliche Mitsprache verweigert. Dagegen wehren wir uns entschieden und setzen dabei auf die Solidarität unserer neuen Nachbarn. Und hier kann er beginnen, der Anfang vom Ende?
Villa Viva Schultzweg 4 12. Juli 2021
Denn obwohl der Finanzsenator am 12.7. voller Stolz verkündigte, dass sich mit dem billigen Verkauf des Grundstücks an Viva con Agua belegen lässt, dass die hanseatische Pfeffersäcke-Mentalität (4) nicht im Gegensatz zum Gemeinwohl stehe, befürchten wir aus jahrelanger Erfahrung, dass bei dem bevorstehenden Verkauf des ehemaligen Hillgruber Grundstücks die Pfeffersäcke-Mentalität des Senats doch wieder ihren Durchbruch erfährt wie z.B. durch das Instrument: Wirtschaftsförderungsfall. Wir sind gespannt auf die Haltung von Viva con Agua. Willkommen im gallischem Dorf (5).
vielen Dank für Deine wunderschönen Zeichnungen. Diese erinnern uns daran, bei der Bezirkspolitik Hamburg-Mitte nachzufragen, ob die Erhaltung der Spatzenkolonie wie beschlossen in der Bau-Genehmigung für die Neubebauung des ehemaligen Schulgrundstücks festgeschrieben wurde und wie diese konkret umgesetzt werden soll.
Wir sind gespannt auf die Antworten und werden diese nach Erhalt neben deine Zeichnungen an den Bauzaun aufhängen.
Nochmals lieben Dank für Deinen wichtigen Aufruf.
Mit herzlichen nachbarschaftlichen Grüßen Stadtteilinitiative Münzviertel