Der Bauentwurf des Architekten Jörg von Borstel


Collage von Günter Westphal / Jörg von Borstel

„Gibst du mir Steine, geb‘ ich dir Sand
Gibst du mir Wasser, rühr‘ ich den Teig
Wir bauen eine neue Stadt“
Palais Schaumburg, 1981


Jörg von Borstel

Das Grundstück Repsoldstraße 47 / Ecke Rosenallee liegt im östlichen Teil des Hamburger Stadtteils Klostertor im Winkel zwischen Hammerbrook, Innenstadt und St. Georg.
Dieser Teil Hamburgs hat in den vergangen beiden Jahrhunderten eine starke Wandlung erfahren.
Nach dem großen Brand von 1842 wurde der ehemals sumpfige Hammerbrook entwässert und mit dem Schutt aus der abgebrannten Innenstadt aufgehöht. Ein rechtwinkliges System von Straßen und Kanälen entstand, das die Zuordnung von Straße und Fleet aus der Altstadt schematisch übernahm. Der Mittelkanal war die Hauptverkehrsader und die Achse des neuen Viertels.
Nach 1881 entstand hier ein dichtes Etagenhausquartier mit engen und hohen Hinterhofbebauungen (hierher zogen viele der vom Freihafen verdrängten Menschen).
Klostertor und Hammerbrook gehören zu den Stadtteilen, die unter den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges am schwersten gelitten haben: Der „Feuersturm“ von 1943 hat fast die gesamte Bebauung vernichtet. Mit den Trümmern verfüllte man den Großteil der Kanäle. Die Stadtplanung der Nachkriegszeit erkor Hammerbrook zur „City Süd“. Auf den Brachen entstand eine heterogene Bürolandschaft. Wohnen war hier nicht vorgesehen. Erst seit den letzten beiden Jahrzehnten schreibt der Bebauungsplan einen Pflichtanteil von zwanzig Prozent vor.

Als kleine Insel in der urbanen Wüste sind im sog. „Münzviertel“ einige wenige gründerzeitliche Straßenzüge erhalten, so auch die Repsoldstraße und die Rosenallee. Im Altbaubestand ist hier das Wohnen laut Bebauungsplan „geduldet“. Das Quartier bezieht seinen Namen von der bis in die späten achtziger Jahre hier ansässigen Münzprägeanstalt. In deren unmittelbarer Nachbarschaft wurde Ende des 19. Jh. die „Münzburg“ errichtet:


„Münzburg“ in Hammerbrook
(Münzplatz 11, Münzweg 8, Repsoldstr. 45, Rosenallee 3)

„Die vier auffälligen Ziegelbauten sind um einen Innenhof herum angelegt und wurden zwischen 1880 und 1886 von dem Architekten und Bauunternehmer I.H. Martin Brekelbaum auf eigene Rechnung gebaut. Mit ihren neogotischen, auch zum Hof hin aufwendig geschmückten Fassaden stellen sie eines der in Hamburg seltenen Beispiele für den Etagenhausbau der „Hannoverschen Schule“ dar. Typisch dafür ist der Rückgriff auf mittelalterlich anmutende Formen und die reichliche Verwendung farbig glasierter Ziegel, die abwechslungsreich und malerisch arrangiert wurden. In der Verbindung von Werkstätten und Wohnungen, von einfachen und gehobenen Wohnansprüchen spiegelt die „Münzburg“ den Städtebau des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Gebäude sind in hervorragendem Zustand und kaum baulich verändert worden. Repräsentativ am Münzplatz und der damals geplanten Bahnstrecke gelegen, prägen sie das Stadtbild in diesem Bereich.“
(aus einer Veröffentlichung des Denkmalschutzamts, 1999)

Auch die Münzburg blieb vom Krieg nicht verschont. Das Eckgebäude Repsoldstraße 47 wurde zerstört. Nur das Erdgeschoß überdauerte; es wurde später niedergelegt und wird seitdem als Stellfläche von den Bewohnern genutzt.


Münzburg 1950

Die vorliegende Diplomarbeit versucht, für dieses Grundstück einen dem städtebaulichen, historischen und sozialen Umfeld gerecht werdenden Bebauungsvorschlag zu machen.

Die besondere Lage und der eigene Charme des Quartiers bringt auch eine besondere Bewohnerstruktur mit sich. Neben einigen Alteingesessenen und vielen Immigranten wird es zunehmend bei Studenten und Wohngemeinschaften als vergleichsweise günstige Übergangsbleibe entdeckt. Die Fluktuation ist hoch. Unter denjenigen, die aus freien Stücken für längere Zeit hier wohnen, sind viele Künstler und Kulturschaffende. Günstiger Wohnraum und die Nähe zum kulturellen Zentrum Hamburgs mögen hier ausschlaggebend sein. Die Andersartigkeit des Quartiers wird von ihnen als Qualität geschätzt. Der vorliegende Entwurf nimmt sich dieser Klientel an.

Er will ihnen flexibles Gerüst zum Wohnen und Arbeiten sein. In den Obergeschossen sollen neun Nutzereinheiten mit Wohn- und separatem Atelierbereich entstehen. Das Erdgeschoß soll Raum für Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskurs bieten.

Jörg von Borstel