Erste offizielle Schritte zur Quartiersentwicklung
* Nach aktiver nachbarschaftlicher Selbstorganisation und intensiven künstlerischen Aktivitäten, nach mehr als drei Jahren Tätigkeit der von Günter Westphal gegründeten Stadtteilinitiative, gab es Ende August ein erstes hochoffizielles Treffen zur Stadtentwicklung im Münzplatzviertel. Es ist eine große Freude, dass das Thema nun über Unterausschusssitzungen hinaus seitens des Bezirks und der Stadtentwicklungsbehörde angegangen wird. Und diese Freude wird auch kaum durch die für normale Bürger mitunter seltsamen verbalen und administrativen Spezialitäten eines solchen Prozesses gemindert. Der Kontakt zwischen Verwalteten und Verwaltung hat seine eigenen Regeln, er ist ein eigenes, besonderes Arbeitsfeld.
* Herr Mathe von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt erläuterte die Kriterien für die Aufnahme des Münzplatzviertels in das Programm „Aktive Stadtteilentwicklung 2005/2008“. Und er präsentiert dem Kreis von etwa fünfzig Interessierten, die wohlformulierten Begrifflichkeiten, in die sich ihre Vorschläge formalisieren lassen müssen. Die Anwohner, Grundbesitzer, Kommunalpolitiker, Künstler oder Stadtplanungsplanungsstudenten werden an grundlegende Forderungen erinnert: Zwei bis drei wesentliche Handlungsfelder, schlanke Strukturen, vier bis fünf Jahre für Anschub und Abschluss, kleinräumliche Stabilisierung, keine externen Berater, Finanzierungsvorschlag, Entscheidung durch Senator, Durchführung durch Bezirksamt.
* Diese hochgehängten Kriterien klingen doch sehr anders, als die vorgetragenen Alltags-Probleme aus dem Viertel: Die Hunde, die Randständigen, die Drogensüchtigen; auch präziser: keine Erlaubnis für 43qm Grün, keine Aufstellung von Mülleimern, extreme Schwierigkeiten, die Verwaltung überhaupt zu erreichen. Von beidem verschieden klingen da die Visionen der Künstler: Einen Stadtteilfilm machen, eine Anbindung an den Sonin-Kanal bauen oder auf den brachliegenden Flächen Sonnenblumen ansäen.
* Ja, man wisse, dass die Künstler Pioniere bei der Wiedererweckung von Quartieren sind, kommentiert Dr. Pfadt vom alterprobten Entwicklungsbüro ASK. Auch sei es äußerst lohnend, sich historische Pläne anzugucken, um Strukturen zu verstehen und wiederherzustellen. Doch beim Einsortieren dieser Ideen in das Raster für die Karten mit positiven und negativen Bewertungen, mit Vorschlägen und Wünschen, hat er dennoch Probleme
* Überhaupt, was ist zu tun, wenn die Investoren trotz gerade neu aufgestelltem Bebauungsplan für das Gelände hinter dem Hühnerposten kein Geld haben, großzügig zu bauen, wenn die Grundbesitzer Angst vor Zwischennutzungen haben, ja wenn die Bausubstanz teilweise so schlecht ist, dass sich kleine Verbesserungen nicht lohnen? Die Gebäude beispielsweise am Högerdamm sinken ein. Sie stehen auf Pfählen im ehemals sumpfigen Marschland des alten Hammerbrook. Aber das Grundwasser sinkt und so rotten die Pfähle: Drei Gebäude sind schon eingestürzt, die Baulücken am Högerdamm sind nicht nur Kriegsfolgen.
* Und dann kommt da noch die Frage der Behörde für Stadtteilentwicklung, ob das Münzviertel denn überhaupt die entwicklungsträchtigen Teile am Hühnerposten mit einschließt? Wenn nein, wer definiert das nach welchen Interessen? Fragen gibt es genug, aber für das Anerkennungsverfahren als Themengebiet im Landesprogramm braucht es ganz konkrete Vorschläge. So ist dringend auf den Planungsworkshop hinzuweisen, der am Wochenende 23./24. September stattfinden soll. Dort gibt es nicht nur eine halbstündige Kartenabfrage, sondern fast zwei Tage Gelegenheit, Vorschläge einzubringen, zu konkretisieren und zu formen.
* „Man muss dafür kämpfen, dass die Welt besser wird!“. Dieser schöne Satz kam an diesem Abend nicht von einem der Anwohner, nicht von einem der Künstler, sondern von Erwin Jochem aus dem Stadtplanungsamt des Bezirks Mitte. Das klingt fast wie eine Verbrüderung mit der alten Parole: „Die Phantasie an die Macht!“. Das kann ja verstanden werden, als seien alle aufgerufen, Verwaltung und Wirtschaft mit Utopien zu konfrontieren. Die Mahlsteine der Paragraphen werden die dann schon früh genug auf das Machbare zerkleinern. Und bis dahin bleibt Günter Westphals Forderung bestehen: Rosen in die Rosenallee!
* Hajo Schiff