MünzviertlerInnen vorgestellt: Familie Tavares, Café Cabo-Lounge

Hallo Helder, hallo Gracindo! Ihr macht also das neue Café Cabo in der Münzburg.

Gracindo: Ganz stimmt das nicht, dazu kommt noch unser dritter Bruder Christian und meine Frau leitet das Cabo in der Woche.

Also ein Familienbetrieb. Seid ihr Brüder unter der Woche nicht da?

Gracindo: Doch, abends ist schon der eine oder andere von uns da, aber wir arbeiten in der Woche noch in unseren Berufen.

Helder: Gracindo ist Konstruktions-Mechaniker für Autos und ich bin Automechaniker. Christian ist Spezialist für Mechtronik im Autobereich. Ohne unsere Arbeit könnten wir das Cabo noch nicht finanzeren.

Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, hier im Münzviertel ein portugiesisches Café zu eröffnen?

Gracindo: Papa Curvin, der ja lange im Viertel wohnt, hat uns darauf gebracht. Zudem hatten mein Onkel und meine Tante den portugiesischen Mercado hier in der Münzburg, den sie ja leider schließen mussten.

Helder: In dem Viertel treffen sich jetzt wieder die Leute aus den Kapverden, wo wir auch her kommen. Dazu stoßen hier dann Menschen aus dem Viertel. Gracindo: Unser Cabo ist für alle Kapverdener aus Hamburg ein „Heimatcafé“. Sie kommen am Wochenende aus der ganzen Stadt hier her um sich zu treffen und miteinander zu reden. In der Woche sind mehr aus dem Viertel hier.

Das ist eine gute Mischung, wie man merkt. Hier im Cabo hat sich ja viel verändert im Vergleich mit dem Vorbesitzer, sehr viel wärmer und gemütlicher ist es jetzt.

Helder: Schön, dass es dir gefällt, wir haben nach eigenen Ideen den Umbau gestaltet. Drei Wochen hat die Renovierung gedauert.

Was gibt es denn bei Euch und wann macht ihr auf?

Gracindo: Wir öffnen um 9.30 Uhr. Natürlich gibt es bei uns Café und Sagres, Mittags ab 12 haben wir einen kleinen Mittagstisch mit portugiesischen und kapverdischen Spezialitäten. Für den kleinen Hunger gibt es belegte Brötchen und Gebäck.

Wie seht ihr denn als neue Bewohner das Viertel hier?

Helder: Es gibt hier viele Studenten und interessante Leute. Klar, die Drogenabhängigen sind manchmal störend. Aber insgesamt ist es eine interessante Gegend.

Gracindo: Wir hoffen, dass es mit unserem Café Cabo hier funktioniert.

Helder: Mal gucken, was der Sommer bringt.

André Blisse befragte Gracindo und Helder Tavares

MünzvierelerInnen vorgestellt: Heike Winzler vom Brötchenladen

Wir freuen uns alle dass es dich gibt, aber ist es nicht ein wenig waghalsig einen Laden im Münzviertel aufzumachen? Wie bist du darauf gekommen?

Bekannte wussten, dass ich einen Laden suche, von denen bekam ich den Tipp ins Münzviertel. Wenn ich früher hier vorbei fuhr fand ich diese Ecke völlig fremd und abstoßend. Als ich mir den Laden ansah wurde es nicht besser: leer stehende Gewerberäume; alles tot, leer, ätzend. Vielleicht taumeln mal ein paar Junkies durch die Gegend.

Und trotzdem …

Trotzdem stand ich hier im Laden und renovierte alles selber. An einem Punkt sagte ich mir einfach: Ich mach es! Jeder vernünftige Kaufmann hätte gesagt das wäre wahnsinnig. Überhaupt keine Laufkundschaft, die sonst das notwendige Zubrot erbringt. Aus der Ecke hier kann man nicht leben, weil die Ecke zu arm ist. Und es gibt keine Halte- oder Parkmöglichkeiten vor der Tür.

Und trotzdem bist du hier.

Dann stellte ich fest, dass hier unheimlich viele Menschen wohnen – und nette! Man kann sich hier unvorstellbar wohl fühlen. Ich habe mich innerhalb kürzester Zeit unglaublich angenommen gefühlt. Von den unterschiedlichsten Menschen. Von den Studenten, den Beamten mit Schlips, Polizisten und Handwerkern die hier her kommen. Ein alter Türke aus dem Haus, der nie hier in den Laden kommen würde weil das nicht seine Welt ist, der kam an die Tür und sagte einen sehr schönen Laden hätte ich hier. Das rührt einen.

Jetzt hattest du einige Zeit zu, man hat dich vermisst.

Ja, ich hatte geschlossen wegen Krankheit. Als ich wieder auf gemacht habe hatte ich Zweifel wie es weitergehen würde. Aber es war vom ersten Tag an wieder alles wie vorher. Leute kamen mit Blümchen oder Schokolade, unglaublich.

Ein wenig bewegt sich das Viertel, das Lokal „Münze“ wird neu eröffnet, das ehemalige Vanilla. Man sagt ja Konkurrenz belebt das Geschäft, wie siehst du das?

Auf jeden Fall ist das gut für alle. Je mehr hier ist, desto weniger Grund hat man woanders hin zu gehen.

Auf der Bezirksamts-Sitzung meinten Anwohner es sollten mehr Läden aufmachen.

Von 3 Äpfeln verkaufen kann hier keiner im Viertel leben. Ich sehe doch wie die WGs mit 3 Mann 10 Tüten vom WalMart herschleppen. Es wäre toll wenn ein türkischer Gemüseladen beim Großmarkt einkauft und hier verkauft. Ich fürchte die würden keinen großen Umsatz machen.

Auch der Brötchenladen hat Probleme …

Ja, es ist nicht leicht. Ich habe z.B. Obst im Angebot und es geht nicht. Ich hoffte dass es sich nachmittags als Studentencafé etabliert und wurde enttäuscht. Das hier und auch das Café Gabo werden nicht als Treffpunkt angenommen.

Es ist hier eine Schlafstadt.

Genau, es gibt diesen Streufaktor, ausgegangen und eingekauft wird woanders.

Was wünschst du dir für das Viertel?

Mehr Geschäfte, Einkaufsmöglichkeiten, Second-Hand-Läden, Bücherläden … Und mehr Grün. Dort unten beim Chaps hat jemand einen kleinen Garten angelegt, dort blüht der Rittersporn. Ich freue mich jedes Mal über diese blühende Ecke. Weißt du, das Viertel hat einen unglaublichen Charme.

André Blisse befragte Heike Winzler

MünzviertelerInnen vorgestellt: Rolf Kellner

Initiator des KuBaSta in der Repsoldstraße 45

Rolf, als erstes möchten wir dich als neuen „Münzviertler“ begrüßen. Im ehemaligen Mercado Tejo, der „Fliesenschönheit“ wie ihr sagt, geschehen ja spannende Dinge …

Das finde ich auch. Zum einen ist im ehemaligen Mercado die Filmproduktion Oxossifilm eingezogen, die Dokumentarische Fiktionen drehen und erste Konzepte für einen Stadtteilfilm erstellen. Hinten sitzen Doppelplusultra, eine Produktionsfirma. Und in den Kellergewölben veranstaltet KuBaSta, Kunst Bauen und Stadtentwicklung, Ausstellungen aber auch Konzerte und Führungen.

Bevor wir darauf näher eingehen, wie bist du denn auf unsere Insel, das Münzviertel, gestoßen?

Oh, mich führten viele Wege ins Viertel. Auf dem Weg zu meinem Architektur-Büro in Rothenburgsort hielt ich oft an der französischen Bäckerei. Und irgendwann habe ich das Auto stehen gelassen und bin herumgelaufen, wie das Städteplaner gerne machen. Dann gehe ich als Architekt bei Scharlau drucken und kopieren. Wichtiger Anlaufpunkt ist auch immer Renate Kammer die mit ihrer Galerie auch auf Architektur spezialisiert ist. Ein Bollwerk im Viertel. Die Stimmung im portugiesischen Laden, als er noch offen war, habe ich sehr geliebt. Als dann das Vanilla eröffnete dachte ich: Jetzt geht es los. Und die Straßenfeste, die waren immer superklasse.

Das sind viele schöne Wege. Was macht das Münzviertel speziell für KuBaSta so wichtig?

Uns geht es um das Weichmachen der Grenzen. Das Viertel ist ein Gelenk, zu St. Georg über die unsortierte Freifläche neben dem ZOB im Norden, zur Hafencity und zur Kunstmeile. Es ist ein Durchzugsgebiet zum Durchschweifen. Es ist ein stiller Weg zwischen Elbe und Alster. Und es liegt wie das Katharinenviertel, St. Pauli und Veddel etc. am Hafen. Als angrenzendes Gebiet zur Hafencity gibt es Chancen und Risiken. Wenn wir es geschickt anstellen sind die Chancen größer als die Risiken.

Viele im Viertel kämpfen für eine Verbesserung der Verhältnisse.

Ja, wie beispielsweise Günter Westphal, der für seine soziale Skulptur Münzviertel Leute um sich sammelt, Räume schafft und den Dialog beginnt. Mit Agieren, Ausprobieren. Das Engagieren der Bewohner mit viel Zeit Kraft und Emotionen ist eine große Chance. Wie das funktionieren kann haben wir in St. Georg erlebt. Aber wenn Außenstehende glauben, Kunst ist der Steigbügel für das Kapital, dann ist das zu platt. Hier sind die drei Faktoren Kunst – Bildung – Soziales verzahnt. Es gibt im Viertel viele Entbehrungen. Das „gesetzte Wohnen“ im Wichern-Bau mit Mietern, die sich das Viertel nicht ausgesucht haben. Die Menschen versuchen hier Kinder groß zu ziehen, Beziehungen zu führen und ihr Leben in den Griff zu bekommen.

Du sprichst ja auch oft über die Zweite Stadt. Was ist das?

Die Zweite Stadt ist eine gefühlte, ersponnene, ersonnene, gewünschte Stadt. Sie ist angefüllt mit allen unseren Ideen. Die Kollagen im Workshop zum Gutachten für das Münzviertel waren voll davon, zum Teil sind sie nicht einmal in Worte zu fassen. Für Architekturwettbewerbe entstehen oft 150 Ideen von unterschiedlichen Büros. Eine wird realisiert, aber die anderen Ideen leben weiter. Sie werden erwünscht und erträumt. Nur was in der zweiten Stadt ist hat die Chance in die erste Stadt zu kommen. Wir wollen die Vernetzung der Gebäude mit den Lebenszusammenhängen. Diese kommen aus einer lebendigen Stadt, gewachsenen Strukturen und das was sein kann. Und diese wollen wir erlebbar, fühlbar, spürbar machen. Sei es durch Kunst, Übersteigerung der Themen oder Collagen. Kunst und Kultur stehen am Anfang der Planung und nicht am Ende.

Wie kann das konkret werden?

Das Gutachten ist ein wichtiger Schritt. Wenn wir offizielle Unterstützung bekommen haben wir einen festeren Stand. Wir drängen darauf, dass die Hühnerpostenbebauung im Kern Wohnungen beinhaltet, zweitens sollen hier Bau- und Hausgemeinschaften entstehen, die, drittens, Kunst – Bildung – Soziales beinhalten. Letzteres muss im Viertel gefördert werden. Aber was konkret wird, kann man nicht vorhersagen oder bestimmen. Es ist ein Prozess, immer wieder neu zu agieren und aus jedem Schritt das Beste rauszuholen. Und diese Flexibilität und Offenheit finden wir hier im Münzviertel an. Und das in großem Maße.

Du schaust so nachdenklich aus dem Fenster auf den Wichern-Bau?

Ich fange an mich zu versöhnen. Wir sind hier in der Münzburg, gegenüber ist eine andere Burg, mit Fallgittern. Aber durch die eben beendete Ausstellung „Ohne festen Wohnsitz“ im Haus Jona öffnet es sich und macht transparent. Die Gitter gehen wieder zu aber es gibt atmende Phasen.

Die Grenzen werden weich?

Die Grenzen werden weich!

André Blisse befragte Rolf Kellner

MünzviertelerInnen vorgestellt: Britta Höper, Begrünerin

Britta, wie kamst du auf die Idee, die Fläche vor dem Haus Högerdamm 24 zu begrünen?

Eine Idee gab es nicht. Es gab die Fläche. Die war völlig schäbig, ein Sperrmüllplatz. Oft hielten sogar auswärtige Autos um ihren Müll hier abzuladen. Dann wurde gegenüber gebaut und Bauschutt auf dem Stück verteilt. Das rottete auch den letzten Grashalm aus. Dann säten wir Rasen aus, das hat uns aber nicht gereicht. Beim Baumarkt gab es Bepflanzungsringe im Sonderangebot, so ergab sich der nächste Schritt. Jetzt stehen hier eine Bank und Sonnenblumen. Das Schöne ist, dass alle Hausbewohner mitarbeiten. Einer hebt im Vorbeigehen Müll auf, andere pflanzen an, in der Erdgeschosswohnung können wir einen Schlauch anschließen.

Aber man muss das ja auch finanzieren.

Wenn man sich das teilt ist es nicht so viel. Wir suchen jetzt noch Sponsoren für Pflanzen, gerne auch von den Büros gegenüber. Viele verbringen ihre Pause hier. Wir planen hier noch eine Hecke zur Straße, eine Rosenlaube, eine Schaukel und einen Sandkasten. Pflanzenpaten möchten sich bitte auf der Internetseite be09.de melden.

Wie bist du ins Viertel gekommen?

Von Rothenburgsort aus – mein Freund und ich sind von Nürnberg nach Hamburg gezogen. Wir hatten eine Wohnung auf Zeit in Eimsbüttel und viel Frust bei der Suche nach etwas festem. Nach einer deprimierenden Besichtigung in Rothenbugsort brauchten wir frische Luft und gingen zu Fuß in die Stadt. Am Högerdamm standen wir dann plötzlich vor diesem tonnenförmigen Haus. Wir sahen, dass eine Klingel unbeschriftet war, fragten im Haus nach und bekamen so die Wohnung.

Wie erlebst Du das Münzplatzviertel?

Es fehlen Einkaufsmöglichkeiten, die Tankstelle reicht nicht aus. Und wenn wir auf dem Weg nach St.Georg sind um Besorgungen zu machen, fehlt uns etwas was uns auf dem Weg aufhält, wie z.B. ein Plattenladen wo man auch einen Kaffee trinken kann. Und kleine Grünanlagen wären gut. Schön ist, dass man ständig überraschend neue Leute trifft, auch wenn es keinen Aufenthaltsort gibt wo man sich begegnen kann. Ganz verschiedene Leute leben im Münzviertel, auch wenn einem nicht alle sympathisch sind, alle haben hier ihren Platz. Ein Mann der schon 40 oder 50 Jahre hier lebt zeigte mir alte Bilder als die Straßenbahn noch durch den Högerdamm fuhr. Es ist hier nicht die Schanze oder die Lange Reihe, wo vieles einfacher ist, aber zu gleichmäßig. Hier gibt es eine Gemeinschaft trotz anderer Wellenlängen.

André Blisse befragte Britta Britta Höper

MünzviertelerInnen vorgestellt: Jörg von Borstel, Dipl. Ing. Architektur


Jörg von Borstel, Collage Jörg von Borstel und Günter Westphal

Jörg, du hast als Architekturstudent deine Abschlussarbeit über die bauliche Lücke der alten Münzburg gemacht. Wie kamst du dazu?

Es begann, wie bei vielen hier, mit der Suche nach einer billigen Wohnung. Im Jahr 2000 führte mich eine Anzeige, die eine Wohnung in St. Georg anpries, dann doch zu einer Adresse nach Hammerbrook, ins Münzviertel. Da fand auch der erste Kontakt mit der beeindruckenden Münzburg, dem roten Backsteingebäude am Münzplatz statt. Als Student der Architektur sieht man sich dann besonders um und fragt sich, wie ein Viertel entstanden ist.

Und was ist im Münzviertel besonders spannend?

Die Geschichte reicht vom Naherholungsgebiet im 19. Jahrhundert über eine dichte Bebauung zur Jahrhundertwende über Zerbombung bis zum heutigen Mix aus Büro- und Industriekomplexen, Brachflächen und einigen alten Häusern. Wenn dann noch ein Neubau-Komplex mit 111 meist Sozialwohnungen am Münzplatz hinzukommt, hat man echte städtebauliche Spannungsfelder. Trotzdem entwickelt das Quartier für viele einen eigenen Charme.

Und so ist eine Arbeit daraus entstanden?

Dies Viertel hat sehr wenige Angebote, man muss selbst aktiv werden. Wenn man überlegt was für kreative Menschen hier wohnen und dass die Kunstmeile unmittelbar anschließt, kommt man auf Ideen wie meine Arbeit. Die Lücke in der Münzburg fällt ja täglich ins Auge. Warum also nicht das Münzviertel als Künstlerstandort stärken und Wohnen und Arbeiten in Ateliers verbinden.

Also ein Nutzungsvorschlag, der die Strukturen des Stadtteils aufgreift?

Unbedingt, dass ist der wichtige Aspekt meiner Abschlussarbeit, die nicht ein vorgegebenes Projekt zu einem großen Büro- oder Fabrikkomplex abarbeitet. Es geht um eine Idee, wie man ein strukturschwaches Viertel angemessen beleben kann. Denn die Infrastruktur ist hier nicht gut.

Ein anstrengendes Viertel?

Ja. Aber auch ein spannendes und eines mit viel nachbarschaftlichem Engagement wie dem Quartierstreffen. Und wenn ich abschalten will, der Freihafen ist um die Ecke und Brachflächen in Hammerbrook warten auf mich. Es muss zum Erholen nicht immer ein Park sein.

Und wie geht es für dich nach dem Diplom weiter?

Ende des Jahres gehe ich ins Ausland. Ob ich danach ins Münzviertel zurückkehre kann ich nicht sagen. Wichtig für mich ist, dass ich mit meiner Arbeit dem Ort etwas Positives hinterlasse wenn ich weggehe. Denn er hat mir auch viel gegeben.

André Blisse befragte Jörg von Borstel

MünzviertlerInnen vorgestellt: Karla und Detlef Bölke

Betreiber des Kiosks Spaldingstr. Ecke Repsoldstr.

Sie sind ja beide schon sehr lange im Münzviertel. Wie kam es dazu?

K.B. Das war Zufall. An der Spaldingstraße unten rechts gab es einen Kiosk den ein ehemaliger Arbeitskollege gepachtet hatte. Bei dem hatte ich schon ausgeholfen und er erzählte mir, dass der vorige Pächter hier gerade gestorben war.

D.B. Der ist einfach nach Hause gegangen und morgens nicht wieder gekommen. Meine Frau hat dann den Laden übernommen. Das war vor 16 Jahren.

Hier gibt es ja mehr, als man von draußen denkt, belegte Brötchen, Getränke aller Art …

D.B. wir richten uns nach den Kunden und haben das Sortiment erweitert und angepasst. Sonst gibt es hier ja keine Läden mehr.

K.B. Wir sind ziemlich die Letzten, die überlebt haben. Der Fensterladen gegenüber war ein Lebensmittelhändler. Die Straße runter waren die Farbigen mit Frisör, Kleidung und Telefonladen und so weiter, aber das kommt ja langsam wieder.

D.B. Ach, früher hatten wir hier den Portugiesen, Weinhandlung und Fisch hatte der. Dann gab es hier ein kubanisches Restaurant und ein türkisches. Die wurden beide mal komplett von der Polizei umstellt und waren dann schnell dicht.

Was denken Sie über den Ladenleerstand im Viertel?

D.B. Ich denke, die wollen alle zu hohe Preise. Schauen sie mal was gebaut wird hier und dann leer steht. Dann bekommt man mit wer dann doch wo rein wollte, und es wird nichts draus. Das ist traurig.

K.B. Und schauen Sie mal den Parkplatz da draußen, der verkommt nur. Da kann man noch was machen.

Wie hat sich das Viertel denn verändert?

D.B. Es kommen mehr Drogenabhängige in den Laden, das war anfangs ruhiger. Letztes Jahr ist es noch mehr geworden, das ist manchmal schwierig.

K.B. Letztes Jahr hatten wir auch drei schwere Einbrüche, das war hart. Wir mussten dann für mehrere tausend Euro noch mehr Sicherheitsmaßnahmen einbauen. Da kann einem die Lust schon vergehen. Aber es gibt auch gute Entwicklungen hier. Die Umschüler sind treue Kunden, auch wenn es immer weniger werden. Die im Wichernbau haben uns auch gut angenommen. Und zu den jungen Leuten im Viertel haben wir einen ganz tollen Kontakt. Die kommen Brötchen holen und einige die weg gezogen sind kommen extra noch hier rein um Hallo zu sagen.

D.B. Wenn die ausziehen kommen die sich noch mit Handschlag verabschieden.

K.B. Schön ist auch über die Jahre zu beobachten wie sich die Kleinen aus dem Kindergarten und der Schwerhörigen-Schule sich entwickeln und machen.

D.B. Über die Obdachlosen von Herz As kann man sich nicht beschweren, dass sind liebe nette Menschen.

Wie lange wollen Sie noch weiter machen?

K.B. Wir machen weiter.

D.B. Irgendwann machen wir aus Altersgründen zu. 13 Stunden am Tag und noch den halben Samstag, irgendwann muss man das nicht mehr haben.

Aber im Moment macht es Ihnen im Viertel ja Spaß.

K.B. Früher war es auch lustig, da kamen aus der Bar gegenüber die ganzen Transvestiten an. Einer kam mal als Mann und mal als Frau an. Dann hat er sich den Rock hochgezogen, die Strapse gezeigt und meinen Mann gefragt „Na, kennst du mich noch?“

André Blisse befragte Karla und Detlef Bölke

MünzviertelerInnen vorgestellt: Jan Paulsen, Straßenfestorganisator

An dieser Stelle kommen mit den nächsten Ausgaben des lachenden Drachen Menschen aus dem Münzplatz Quartier zu Wort. Heute interviewen wir Jan Paulsen, der dieses Jahr die Organisation des Straßenfestes in die Hand nimmt.

Jan, was motiviert dich, sich für das Straßenfest einzusetzen?

Schon beruflich habe ich mit Stadtentwicklung zu tun. In anderen Stadtteilen Hamburgs arbeitete ich im Rahmen des Hamburger Stadtteilentwicklungsprogramms. Da lag es nahe auch hier am Münzplatz, wo ich wohne, aktiv zu werden. Wir sind eine Planungsgruppe, in der wir die Zuständigkeiten für das Straßenfest verteilt haben. Ich koordiniere diese verschiedenen Bereiche und bin Ansprechperson.

Was verbirgt sich den hinter dem Hamburger Stadtteilentwicklungsprogramm?

Stadtteile ,die eine Häufung von Problemlagen aufweisen, wie zum Beispiel hohe Arbeitslosigkeit oder hohe Kriminalität und Vandalismus, können in das Programm aufgenommen werden. Ein gemeinsames Merkmal aller Programmgebiete ist, dass das lokale Gemeinwesen kaum handlungsfähig ist. Eine zentrale Aufgabe ist es, in Erfahrung zu bringen, welche Vorhaben die Quartiersentwicklung positiv beeinflussen und Anstöße für diese Entwicklung zu geben.

Wie geht es beruflich bei dir weiter?

Parallel zum Straßenfest arbeite ich mit einer Bekannten an der Gründung eines Planungsbüros. Sie ist Stadtplanerin und Dipl. Ing. für Architektur, ich bin Dipl. Ing. für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung. Eine gute Grundlage für eine Existenzgründung. Berufsbegleitend möchte ich Gemeinwesenökonomie/ Stadtteilmanagement studieren. Diese Ausbildung qualifiziert mich für Bildungs-, Entwicklungs- und Planungsaufgaben in städtischen aber auch ländlichen Räumen. Für mich die optimale Ergänzung zu meinem bisherigen beruflichen Lebenslauf.

Und wie geht es mit der Initiative weiter?

Nach dem Straßenfest wollen wir uns dem Ladenleerstand im Quartier widmen. Es stehen mehrere Ladenlokale in der Münzstraße, Repsoldstraße, Norderstraße und Spaldingstraße leer. Für die Eigentümer bedeutet dies Miet- bzw. Pachtausfall, für uns Bewohner wirkt es trostlos und unattraktiv. Gemeinsam mit den Eigentümern möchten wir uns für eine Belebung dieser Räumlichkeiten einsetzen.
Zu diesem Zweck wollen wir im Herbst eine Tagung veranstalten, die sich mit Strategien gegen den Ladenleerstand beschäftigt.

Herr Paulsen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

André Blisse befragte Jan Paulsen

2004