Vier kurze Absätze über mein fotografisches Arbeiten
Mein künstlerisches Arbeiten ist über zwei Felder hin angelegt. Beide sind sie für sich autonom und doch bedingen sie einander. Auf dem einen Feld das Fotografieren und auf dem anderen das ästhetische Arbeiten in sozialen sowie öffentlichen Räumen. Das eine Feld nährt sich aus dem anderen und umgekehrt. Gleichzeitig stehen beide sich wechselseitig als Korrektiv gegenüber. Ein dynamisches Miteinander, dessen ästhetische Grammatik ich ethisch gründe.
Das Fotografieren ist ein Teil meines Soseins. Ohne dieses wäre ich nicht die Person Günter Westphal, wie sich diese der Welt präsentiert, sich in ihr bewegt und agiert. Das Fotografieren ist mein Fragen, Hören und Antwortgeben zwischen mir und meiner Umwelt sowie zwischen meinem Denken und meiner sinnlicher Wahrnehmung. Es kehrt mein ungeordnetes Inneres bildnerisch gestaltend nach außen.
Der Akt des Fotografierens selbst ist der Ort meiner Selbstverlorenheit. Hier gibt es weder ein Davor noch ein Danach. Was hier existiert, ist das bloße berauschende Jetzt. Eine niemals zu sättigende Sucht mit Hilfe der Fotoapparatur einzutauchen, in die energetischen Wechselwirkungen der lebenden Körper und stofflichen Dinge untereinander, quer und miteinander. Es ist ein Hören mit den Augen, ein Sehen mit den Ohren, ein Riechen mit den Fingerspitzen.
Eingebettet in der geistigen Gerichtetheit meiner Körpersinne beinhaltet das Fotografieren für mich stets ein Erschauen, ein Erspüren, ein Umwerben des abzubildenden Gegenstandes, um dessen Konkretheit später innerhalb des fotografischen Werkes in der Differenzierung zum eigentlichen Fotografieren zur bestmöglichsten Potenz zu befördern.
Günter Westphal 12. Januar 2004
und einige Anmerkungen zur Differenzierung zwischen Kunst- und Sozialarbeit(-pädagogik?) im sozialen Raum
Als sozialen Raum beschreibe ich jenen Raum, in dem sich die Menschen unter- und miteinander bewegen, kommunizieren und handeln. Dieses können entweder zwei, drei bzw. 100 oder 1000 Menschen, eine nationalstaatliche oder die ganze Völkergemeinschaft sein. Bindeglied all dieser Beziehungsverflechtungen sind gemeinsam erarbeitete und akzeptierte Normen und Code kultureller, politischer und juristischer Art.
Nicht Bestandteil dieses Raumes ist die intersubjektive Beziehung zwischen mir und meinem unmittelbaren Nächsten, der mir stets der Andere bleibt und ohne den ich mich weder fühlen noch denken kann. Es ist jene rätselhafte Beziehung, die meine existenzielle Einsamkeit unterbricht und die mich, weder ohne mein Zutun oder einer anderen Macht außerhalb meiner Existenz, als soziales Wesen konstruiert (Emmanuel Lévinas). Die Sozialität des Menschen liegt in dessen Subjektivität gegründet.
Eine solche Ausgrenzung der intersubjektiven Beziehung aus dem Sozialen erklärt sich aus deren Nicht-Objektivierbarkeit. Und deshalb stellt die Soziologie auch nicht die subjektiven Empfindungen und Belangen eines Individuums innerhalb eines menschlichen Beziehungsgeflechtes in den Mittelpunkt ihres Interesses, sondern fragt vorrangig danach, wie dieses ausgerichtet sein muss, um die unterschiedlichsten Anforderungen einer sozialen Gemeinschaft wie z. B.: „Gerechtigkeit für alle“, etc., zu erfüllen.
Gegenüber dieser Haltung des Sozialen zielt die Kunst mit ihren ästhetischen Kriterien und Praktiken auf die Stärkung des Subjektiven wie z. B.: Originalität, Egozentrik, Poesie, etc.. Alles Eigenschaften, die dem objektivierenden Ansatz des Sozialen widersprechen und so ist es auch nicht verwunderlich, dass z. B. Max Weber die Kunst mit ihren sinnlichen und brüchigen Kriterien als unsichere Kantonistin aus den Wertungen und Qualitäten der Soziologie verbannte.
Doch eine solche Haltung aus den Anfängen des 20. Jahrhundert sind heute nicht mehr haltbar. Schon die von Werner Heisenberg begründete Unschärfentheorie im Jahre 1936 brachte den Positivismus in erhebliche Erklärungsnot. Und heute, fast 75 Jahre später nach all den Scheitern der unterschiedlichsten Ganzen, erweist sich die alleinige Option des Objektivierens zu Lasten des Subjektiven als äußerst fraglich.
Kunstarbeit im sozialen Raum, eingebettet in dem Wissen um das Geheimnis der intersubjektiven Beziehung, wäre im Gegensatz zur Sozialwissenschaft und deren handelnden Praxis m. E. stets ein Fragen nach dem Grad der poetischen Ausgerichtetheit einer sozialen Gemeinschaft in dessen Mitte sich die subjektive Sozialität eines jeden Einzelnen in der Differenzierung zu den anderen bestmöglichst entfalten kann.
Günter Westphal 24. November 2003
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