Frau Kammer, wie kommt eine Galerie ins Münzviertel?
Indem man sich in diesen Raum verguckt. Über Künstlerfreunde bin ich auf diesen schönen Saal aufmerksam geworden. Ausgehend von meiner Galerie am Böhmersweg wollte ich ein Experimentierfeld für junge Künstler schaffen, die Studiogalerie Kammer, wie es damals noch hieß. Am 11.11.1989 eröffnete ich zeitgleich mit den Deichtorhallen meine „Galerie Renate Kammer“, die Kunstmeile liegt ja in unmittelbarer Nähe.
Aber jetzt liegt der Schwerpunkt auf Architektur.
Ja, 1993 schloss ich am Böhmersweg und arbeitete hier am Münzplatz an der gegenseitigen Befruchtung von Kunst und Architektur. Diese Gegend diente dabei auch als Anregung. Die Unterstützung junger Künstler stellte sich aber als immer schwieriger heraus. Der Versuch Bauherren, Architekten, Künstler und Sammler zusammenzubringen stieß auf viel Widerstand. Der Architektursommer hat zwar als Veranstaltungsreihe viel bewegt, letztendlich ist es aber so nicht aufgegangen. Es gab zu viel Ressentiments auf allen Seiten, Berührungsängste. Die Galerie finanziert sich durch klassische Kunstverkäufe, nicht durch Architektur.
Welches Arbeitsfeld eröffnet sich für Sie?
Zum Glück engagiert sich die Töpfer Stiftung für künstlerische Architektur. Seit 6 Jahren organisiere ich die Tessenow Preisverleihung und Ausstellung in Dresden und die Ausstellung in meiner Galerie. Die Situation für Galeristen ist schwerer als in den goldenen 80-er Jahren, umso wichtiger ist es meiner Meinung nach Qualität anzubieten und nicht aufzugeben. Seinen wir ehrlich, die Galerien haben sich lange nicht gerührt in der Stadt. Wir versuchen wir das anzugehen.
Wie empfinden Sie die Veränderungen im Viertel?
Die Gegend wird glatter. Architektonisch, da die Baulücken geschlossen werden und menschlich, da die multikulturelle Gesellschaft des Quartiers ausbleibt. Der Neubau am Münzplatz macht für die Galerie keinen Unterschied, es ist eine geklärte städtische Situation, die allerdings vorher verwunschen war. Multikulturell schön ist, dass jetzt nebenan die Kinder des geschlossenen portugiesischen Marktes ein Café aufmachen. Hier wird immer wieder etwas versucht. Das ist das Gute an diesem Viertel.
André Blisse befragte Frau Kammer
Aus: Beilage „Münzviertel“ der Stadtteilzeitung „Der lachender Drache“ (HH-St. Georg), 10/2004