“Wir sagen, stark Olaf” Kundgebung: „Die Viertel denen, die drin leben! Münzplatz 7.9.2017“

Because something is happening here
But you don’t know what it is
Do you, Mister Jones?*

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn,
liebe Freundinnen und Freunde des Münzviertels,

Olaf Scholz sagte dem Abendblatt vom 5.8.2017: „Hafenstraße, Rote Flora und Gängeviertel sind da. Aber ich will keine weiteren solcher Einrichtungen. Das habe er durchgesetzt, zum Teil im Konflikt, siehe Münzviertel.“

Spiel- und Bolzplatz Norderstraße 59 10.3.2015

Wir sagen, stark Olaf: Den letzten Spiel- und Bolzplatz plattgemacht. Die wöchentliche „Küche für Alle“, gibt’s nicht mehr. Hoffeste, ohne Hof? Wohl kaum! Die Food Coop Tante Münze und die Radküche Münzviertel ins Exil des Gartens vertrieben. In die letzte Ecke, die wir noch haben! Kein Sportraum, keine Viertelbibliothek, keine Nachbarschaftskneipe, keine Vortragsabende oder Diskussionsrunden mehr. Olaf bist du darauf wirklich stolz, ja?! Meinst du, damit kannst dich vor den Menschen dieser Stadt rühmen?

Wir stehen nun wieder da, wo wir vor der Nutzung der ehemaligen KITA am Schultzweg standen: Ohne Raum für RadKüche und Tante Münze. Die versprochenen Container sind nie angekommen und auch um einen Mietvertrag für ein „Sozio-Kulturelles-Zentrum“ im alten Schulgebäude ist es still geworden.

„Raumnahme“ Münzstraße 12.7.2014

Dabei brauchen wir nicht nur Räume für unsere Initiativen vor Ort und unsere gemeinwesenorientierte Arbeit. Wir sind im Herzen der Stadt. Um uns herum gibt es aber kaum noch Orte, die nicht der Verwertungslogik oder dem Konsum unterliegen. Die City-Süd gehört den Großunternehmen und Büronutzungen. Nach 20 Uhr passiert hier nichts mehr! In St. Georg geht es schon länger nicht mehr um die Frage der sozialen Verantwortung und Mischung. Hier wird um Schadensbegrenzung gekämpft. Vom Hauptbahnhof werden die Obdachlosen vertrieben. In Hammerbrook, gerade rund ums Münzviertel, wird ein Hotel ums andere gebaut. Hier gibt es schon heute 10 davon mit ca. 2000 Zimmern. Das sind fast 2 Zimmer/Einwohner*in! Und jetzt noch zwei 11-stöckige Hotels an der Spaldingstraße? Wir wollen auch keine weiteren Luxusappartmentanlagen für 30€/m², wie der „Neue Hühnerposten“. Wie lebendig ist eine Stadt, in deren Herzen nicht gelebt werden kann?

Es wird kalt und leer im Münzviertel: Neuer Hühnerposten / The new Hamburg living“ 17.9.2016:  https://www.muenzviertel.de/?p=3632

Wir sagen Schluss damit – kein Ausverkauf städtischer Flächen, keine Verdrängung prekarisierter Menschen in Randbezirke: Flächen und Häuser zurückkaufen und anderen Nutzungen zur Verfügung stellen. Nutzungen ermöglichen, die festgefahrene Strukturen aufbrechen, die Menschen nicht ausgrenzen sondern mitnehmen wollen! Denn Städte der Zukunft, brauchen Räume des sozialen Experiments!

Und zwar nicht von oben verordnet, sondern von unten entwickelt. Wir – die Bewohnenden dieser Stadt – wissen sehr gut was wir brauchen und wollen: Günstiges Wohnen in der Mönckebergstraße! Soziale Einrichtungen in den CityHof! „Sozio-Kulturelles-Zentrum“ ins alte Schulgebäude auf dem Grundstück der ehemaligen Gehörlosenschule. Geförderten Wohnungsbau, einem starken Mix an Wohntypologien und öffentliche Nutzungen auf den Freiflächen des Münzviertels!

Wir können es besser! Unser Entwurf: Neubebauung ehemaliges Grundstück Schule für Hörgeschädigte Schultzweg 9″  29.8.2016: https://www.muenzviertel.de/?p=3523

Wir wollen unsere Stadt selbst gestalten. Und nein. Wir kommen nicht erst damit an, wenn es zu spät ist. Wir hatten schon Ideen für die Gehörlosenschule in die Öffentlichkeit getragen, da war die Schule noch im Vollbetrieb. Wir haben Pläne gemacht, Nutzungen abgewogen und Einrichtungen unseres Viertels um Unterstützung gebeten. Wir haben Finanzkonzepte gestrickt und Trägermöglichkeiten durchgespielt. Wir haben immer offen kommuniziert und ständig die Kooperation mit Verwaltung und Politik gesucht. Wir haben vermittelt, gefeilscht, verhandelt.

Repsoldstraße 27.8.2015   Quelle dpa

Das Ergebnis: Wir bekommen von der Politik  bestenfalls Ignoranz, manchmal Prügel und meistens Beschwichtigungen. Kurz: Wir bekommen einen Investor, der sich einen Dreck um die Bedürfnisse der Nachbarschaft schert. Wir bekommen eine Armee von Hundertschaften um einen Innenhof zu bewachen. Einen Stadtteil deren Anwohnende und Unterstützer*innen unter Generalverdacht gestellt, diskreditiert und vor Gericht gezerrt werden**. Du Olaf, glaubst, dass du dich durchgesetzt hast? Das sagt viel über dein Verständnis von Partizipation! Danke fürs reinprügeln, aber wir wollen leider nicht verstehen, nicht lernen, uns nicht von dir erziehen lassen. Das kollektive Zentrum war so unerzogen, wie das Viertel in dem es stand noch immer ist!

„Herzstadtmacher“ – für eine soziale Stadtentwicklung“ Arno-Schmidt-Platz 27.5.2017: https://www.muenzviertel.de/?p=4539

Wir stellen hier nicht weniger als die Frage in welcher Stadtgesellschaft wir leben wollen. Uns reicht es nicht alle paar Jahre ein Kreuz zu machen und damit die Gestaltung unserer Stadtteile in andere Hände zu legen. Sie haben ja gezeigt, dass sie uns nicht repräsentieren sondern anderweitige Interessen vertreten. Wir wollen eine Politik, die uns nicht nur ernst nimmt, sondern unsere Ideen und unseren Gestaltungswillen fördert. Wir wollen einen relevanten Einfluss darauf haben ,was in unserer Nachbarschaft passiert – unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Hautfarbe, Herkunft oder anderen Versuchen der Spaltung. Wir, als Bewohnende unserer Stadtteile, wollen entscheiden was gebaut wird und warum.

Kundgebung: „Die Viertel denen, die drin leben!“ 7.9.2017: https://www.muenzviertel.de/?p=4869

Wir entscheiden auch, wann unsere Begehren gehört wurden. Wir entscheiden, wann sich durchgesetzt wird und wie. Du verwechselst durchsetzen mit unterdrücken! Wir setzen die Rote Flora durch, das Gängeviertel und die Hafenstraße. Wir haben die Tante Münze, die Radküche und das koZe durchgesetzt und Wir werden jederzeit und überall weiter dafür kämpfen, dass solche Räume einen Platz finden. Wir wissen um die Heterogenität, wir wissen um den Struggle, den jeder einzelne dieser Räume aushalten muss. Wir halten zusammen! Jeder dieser Orte für sich genommen, ist mehr „Tor zur Welt“ als es deine Hafen City, deine Elphi und all die touristischen Massenevents zusammen genommen, je sein werden. Wir werden all das durchsetzen, von dem wir meinen, dass es für eine progressive, widerständige, emanzipatorische und solidarische Stadt der Zukunft notwendig ist.

Wir haben die Schnauze voll vom Ausverkauf. Wir haben die Schnauze voll von Bevormundung,  Ignoranz und Arroganz der Politik unseren Ideen und unserem Leben gegenüber. Wir haben die Schnauze voll von all euren Eskalationen gegenüber den Unterdrückten, Marginalisierten und Prekarisierten dieser Stadt.

Die Viertel denen, die drin leben!

Raumproduktion“  Münzplatz 11.5.2017: https://www.muenzviertel.de/?p=4462

Stadtteilinitiative Münzviertel

*   Bob Dylan „Ballad of a Thin Man“  https://www.youtube.com/watch?v=-AN2rfP6Wcc
** „Staatsgefährdend: „koZe bleibt!“ Urteil gegen koZe-Aktivistin“ am 20.4.17:
https://www.muenzviertel.de/?p=4506
Foto „Olaf Scholz“: Andreas Laible